Freitag, 25. Februar 2011

Ein liebes Mädchen

Review
Black Swan


Was mussten wir uns gedulden. In den USA lief er seit September 2010 und Tag für Tag schwappten unzählige Informationen über den großen Teich, der Hype war groß, ebenso die Erwartungen. Ende Januar war Deutschland endlich an der Reihe, Darren Aronofskys neuestes Werk Black Swan feierte hierzulande Premiere. Wobei Werk, genauer Kunstwerk, den Nagel wahrlich auf den Kopf trifft. Denn diese Bezeichnung passt in vielerlei Hinsicht zu diesem ausgzeichneten Film.

Ich bin ja auch so einer gewesen. Andauernd habe ich irgendwelche tollen Sachen zu Black Swan gelesen. Ich bin so einige Male völlig umsonst in eine missratene Sneak-Preview gerannt, in der Hoffnung und mit ein bisschen Glück von Black Swan überrascht zu werden. Pustekuchen. Also wartete ich bis zum genauen Erscheinungstermin, dem 20. Januar 2011, und saß dann natürlich sofort in der erstbesten Vorstellung. Das erwartungsvolle Warten hatte sich definitiv gelohnt. „Weggeblasen“ hört sich vielleicht arg übertrieben an. Aber ich war schwer, sehr schwer beeindruckt. Zum einem von der ausgeklügelten, atmosphärischen hochklassigen Inszenierung durch Regisseur Darren Aronofsky. Zum anderen selbstverständlich aufgrund der fantastischen schauspielerischen Leistung einer glänzend aufgelegten Natalie Portman. Gut, ist ja überhaupt nix neues, die Portman für diesen Film und ihre Rolle weit über den grünen Klee zu loben. Aber es ist nun mal so.

Eigentlich ging’s mir während der Vorstellung gar nicht gut. Ich hatte nichts falsches gegessen, war auch nicht krank oder dessengleichen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich micht das letzte Mal so unglaublich schlecht in einem Kino gefühlt habe. Schuld daran war der Film selbst. Und das ist keinesfalls negativ gemeint. Black Swan rief ein unfassbar unwohles Gefühl in mir hervor. Ich bin für derartige Psychospielereien wohl nicht geschaffen. Aber auch wenn über die gesamte Länge des Filmes dieses unwohle Gefühl mein ständiger Begleiter war, saß ich nach gut 110 Minuten Laufzeit in meinem Kinosessel, atmete fünf Minuten durch, erhob mich von meinem Platz, verließ das Kino und wertete Black Swan ohne jedweigen Zweifel Black Swan als einen der absoluten Pflichtfilme des noch jungen Kinojahres 2011.

Aber was schwafel ich hier rum, wie zu meist an dieser Stelle die obligatorische knackig kurze Wiedergabe des Inhalts von Black Swan:

Ballet hier, Ballet da. Das ganze Leben der Nina Sayers (Natalie Portman) dreht sich um ihre große Leidenschaft das Ballet. Hoch engagiert geht sie zu Werke, üben, üben, üben und letztendlich perfekt sein lautet die Devise. Bei diesem hohen Anspruchsdenken spielt ihre Mutter (Erica Sayers aka Barbara Hershey) keine unwesentliche Rolle, jedoch stellt diese nur einen Faktor Ninas späteren psychischen Labilität da.

Es kommt, wie es kommen musste, Nina hat es endlich geschafft: Sie soll die Hauptrolle in Tschaikowskis Meisterwerk Schwanensee verkörpern, den weißen sowie schwarzen Schwan. Sie kann es kaum glauben, freut sich natürlich riesig, aber verfällt gleichzeitig in einen paranoiden Gemütszustand, welcher durch das Auftreten einer möglichen Konkurrentin in persona Lilys (Mila Kunis) nur noch weiter genährt wird. Gleichzeitig steigt Nina persönlicher Anspruch ins unermesslich, ihre Mutter und der Balletlehrer und Leiter der Company, einem New Yorker Balletensemble, Thomas Leroy (Vincent Cassel) haben ebenso wie ihre eigene Psyche haben großen Einfluss auf ihren schon beinahe an Wahnsinn grenzenden Verstand.

So sieht sich der Zuschauer gezwungen, diesem Psychospiel gebannt zu folgen und muss mit ansehen, wie Nina sich wandelt , welche Höllenqualen sie erleidet und wo all der Terz letztendlich hinführt…

Man muss ja der Natalie Portman ein Kompliment machen. Muss man einfach. Denn was sie in Black Swan abliefert gehört zu den ganz brillianten und herausragenden Schauspielleistungen unserer Zeit. Irgendwie bin ich es auch leid, dass niederzuschreiben, was schon tausend andere getan haben. Portmans Darbietung ist ist kaum bis gar nicht zu toppen, sie verkörpert das Zentrum des Films, ist in jeder Faser ihres Körpers die labile, perfektionistische Ballerina Nina Sayers und kämpft mir ihren inneren Dämonen als wären sie real und nicht nur fiktive Elemente einer hochspannenden Geschichte über persönlichen Anspruch und die Fähigkeit, für diesen zu leiden. Das soll es zu Natalie Portman auch gewesen sein. Sie wird natürlich den Oscar für die beste weibliche Hauptdarstellerin erhalten. Bei den Golden Globes verwieß sie schon die Konkurrenz auf ihre Plätze und das wird auch bei den Oscars 2011 der Fall sein.

Aber wo wir schon einmal bei den Oscarambitionen von Black Swan sind: Es wird wohl auch nur bei dem einen Oscar für Natalie Portman bleiben. Vielleicht kann man noch in einer eher unwichtigen Nebenkategorie wie zum Beispiel beste musikalische Untermalung oder ähnlichen punkten. Jedoch ist Black Swan nun mal eine Solonummer at its best. Es dreht sich alles, wirklich alles um Portman. Das gefiel mir persönlich sehr gut, da dieser Fokus auf die Protagonistin Nina Sayers der Spannung und der Atmosphäre unheimlich gut tut. Der Academy hingegen wird das wohl nicht reichen, um hierfür die ganz großen Ehrungen wie bester Film oder beste Regie zu verteilen. Zum einem das und zum anderen wäre da noch die hochkaratige Konkurrenz, welche auch mit sehr komplexen und vielseitigen Werken daherkommt.

Obwohl ich es dem Darren Aronofsky durchaus gönnen würde, für Black Swan den Preis des besten Regisseurs bei den Oscars 2011 einzuheimsen. Warum auch nicht? Seine Ideen waren großartig, konsequent zieht er seine geschickt erzählte Psychokiste durch. Ebensowenig schreckt er davor zurück, doch recht abscheuliche Bilder zu zeigen, welche den Kampf der Hauptdarstellerin mit ihrem eigenen Ich und gegen ihren Verstand wiederspiegeln. Aronofsky beweist abermals, dass er durchaus in der Lage ist, überlegt und ohne den Fokus auf seinen Hauptdarsteller zu verlieren, dem Zuschauer große Filmkunst zu präsentieren. Paradebeispiel hierfür sei nachweislich sein der für unzählige internationale Filmpreise nominerte und ebenso prämierte Film The Wrestler aus dem Jahre 2008.

Positiv aufgefallen ist mit Sicherheit Mila Kunis. Mila Kunis? Ja genau, die Zippe aus Psycho. Passte ja fabelhaft zu Black Swan. Manch anderer kennt sie vielleicht aus That '70s Show als zickige und selbstverliebte Göre namens Jackie Burkhart. In Black Swan durfte sie Portmans vermeintliche Konkurrentin mimen und das doch überaus passabel. So trug sie mit ihrer Rolle als Lily zum psychischen Kollaps der Nina Sayers bei und überzeugte mit ihrer schauspielerischen Darbietung. Hätte ich ihr eher weniger zugetraut, aber das war sehr ordentlich.

Vincent Cassel gab sich die Ehre den leicht chauvinistischen, erwartungsvollen Balletlehrer und Chef der „Company“ zu verkörpern. Natürlich mit französischen Akzent. Anders kennt man Vincent Cassel auch nicht. Auch er spielte grundsolide. Ähnlich wie Winona Ryder, welche ich sogar erst beim zweiten Hinsehen erkannt habe. Sie präsentierte sich als Ex-Primaballerina, leicht gestört und seelisch psychisch auch nicht mehr ganz im reinen. Eine typische Nebenrolle, wenig Sreentime, aber in ihren kurzen Auftritten mit gehöriger Wirkung. Gut, es ist Winona Ryder. Wer möchte sie schon länger als 10 Minuten ertragen?

Zur Idee an sich, einen Film über Ballettänzer zu machen, muss ich noch was los werden. Die fand ich nämlich ziemlich gut. Obwohl sich diese Botschaft unglaublich hoher Erwartungen nicht nur auf das Ballet, sondern im Allgemeinen auf sehr viele Disziplinen bezieht. Die Berücksichtigung der menschliche Psyche, welche Konsequenzen es haben kann, jedweige Kontrolle über diese zu verlieren, Erwartungsdruck und die Illusion persönlicher Ansprüche werden in Black Swan sehr gut thematisiert. Ein dickes Plus dieses Filmes.

Ach ja, die klassische Musik, passend zur Thematik, gefiel außerordentlich gut. Trug nicht unwesentlich zur Atmosphäre bei und implizierte sehr viel Spannung. Viele denken ja, dass die Art der Musik gerade einen Film erlahmt. Aber im Gegenteil, in Black Swan hätte man keine bessere musikalische Begleitung haben können. Logisch, bei einem normalerweise eher biederen Thema wie Ballet.

v.l.n.r.: Mastermind Darren Aronofsky, Natalie Portman und Vincent Cassel

Erwähnenswert sei noch die gesamte Symbolkraft, die dieser Film hat. Der weiße und schwarze Schwan stehen sinnbildlich für das gespaltene Ich der Nina Sayers und ihre Verwandlung vom lieben, netten Mädchen zum absolut perfektionistischen, sich dem Erfolg aufopfernden Primabellerina, welche keine Mühen und Schmerzen scheut, um die Beste aller Besten zu sein. Die unheimlich starke Schlussszene, die Aufführung der Oper Schwanensee ist so unfassbar impulsiv und mitreißend, man fühlt sich in den Kinosessle hineingepresst, so hoch ist die Spannung. Eine wahnsinnig gute Inszenierung, Chapeau Herr Aronofsky!

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Fazit

Ein Film, den man gesehen haben muss. Die menschliche Psyche spielt den bedeutestens Faktor in Black Swan und öffnet dem Zuschauer die Augen, wie sehr sie unser Leben beeinflusst. Aronofsky und Portman haben hier ganz großes Kino vollbracht und dafür gehört in eine ganze Menge Respekt gezollt. Man sollte sich nicht schämen, gerade als männlicher Kinogänger, sich diesen Film anzuschauen. Natürlich hagelt es stereotypische Kommentare á la „Boah, Ballet is doch voll schwul!“ und „Klassische Musik ist total ätzend!“ Dann tuen mir diejenigen leid, denn sie verpassen fantastisch spannendes Erlebniskino. Und zu dem voll schwul: An heißen Szenen mangelt es in Black Swan auf keinem Fall. Auch ein Zeichen der Konsequenz Aronofskys, welche sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film zieht. Black Swan bekommt eine dicke Empfehlung, auch wenn ich mir dessen bewusst bin, dass wohl nicht jeder so begeistert sein wird wie der Großteil aller Kritiker. Von mir aber gibt es für diesen Film ein dickes Daumen hoch.

Wertung:

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Trailer


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