Wer ist Hanna?
Wieder einmal ein Film, in den vermutlich nicht allzu viele reingehen und ihn sich anschauen werden. Mundpropaganda ist hier das Zauberwort. Denn mit Hanna oder wie in Deutschland betitelt Wer ist Hanna? kam vor etwas mehr als zwei Wochen einer der rigorosesten und geradlinigsten Action-Thriller seit langem raus. Regisseur Joe Wright liefert einen packenden und kurzweiligen Film ab, welcher anfangs viele Frage aufwirft, diese allmählich im weiteren Verlauf zu klären scheint, schlussendlich aber nicht minder weniger unbeantwortete Fragen als zu Beginn des Films offen lässt. Hanna sollte man sich angesehen haben.
Joe Wright ist ja ein recht interessanter Mann. Wright probierte sich zu allerst als Regisseur für TV-Produktionen und dürfte sich dann damit rühmen, die von allen geliebten (ähem...) Romanverfilmungen Stolz und Vorurteil und Abbitte auf die Leinwand gebracht zu haben. Und der soll mich jetzt mit einem Action-Thriller wegblasen? Ich weiß ja nicht.
Als ich zum allerlersten Mal den Trailer zu Wer ist Hanna? sah, war ich von der Thematik ziemlich angetan. Ein junges Mädchen meuchelt sich durch die Walachei, top ausgebildet, eine wahrhafte Meister-Assassinin. Dazu kam dieser recht schlichte Eindruck, nicht zu überladen, nicht zu viele rote Fässer, die gerne mal urplötzlich im Kugelhagen explodieren und riesige Feuersbrünste nach sich ziehen. Nein, Hanna war anders. Ruhiger, geheimnisvoller. Das machte mich neugierig.
Später hörte ich im Radio eine Kritik zu Wer ist Hanna?, in welcher sich der Kritiker mit Lob und Anerkennung für Film und Crew überschlug, sie regelrecht in den Himmel lobte. „Ein Muss im Kinojahr 2011, darf man auf keinen Fall verpassen!“ So so. Gespannter denn je machte ich also auf gen Kino, mit bestimmten Erwartungen und Vorstellungen in mir, welche ich kurze Zeit später komplett über den Haufen werfen musste. Denn Hanna überraschte mich total. So etwas hatte ich überhaupt nicht erwartet. Im positiven Sinne versteht sich.
Doch zuvor, wie so oft an dieser Stelle, eine kurze Inhaltsangabe.
Wer ist Hanna? dreht sich, schwer zu glauben, um ein 18jähriges Mädchen namens Hanna. Hanna (Wunderbar: Saoirse Ronan) lernen wir irgendwo in der finnischen Eiswüste beim Erlegen und Ausschlachten eines Rentiers kennen. Schon hier wird sofort klar, dass es sich nicht um ein normales Mädchen handelt.
Hanna lebt gemeinsam mit ihrem Vater Erik (Eric Bana) in den verschneiten Wäldern Finnlands und hat in ihrem ganzen Leben auch noch keinen anderen Ort gesehen. Ihr Vater zieht sie in dieser frostig-kalten Einöde auf, lehrt sie gebräuchliches Schulwissen und, vor allen Dingen, bildet sie zu einer Tötungsmaschine aus, welche es vermutlich eigenständig mit dem gesamten Secret Service aufnehmen könnte.
Nachdem die ganze Geschichte etwas ins Rollen gekommen ist, wird einem langsam klar, dass nach Erik und seiner Tochter gesucht wird, dass es jemanden gibt, der ihnen dicht auf den Fersen ist und an den Kragen möchte. Deswegen haben sie sich in diese verlassene Gegend zurückgezogen, jedoch dessen bewusst, dass die, welche sie suchen, irgendwann kommen und sie schlimmstenfalls umbringen werden. Und genau auf diesen Moment bereitet der Vater seine Tochter vor. Nach Hanna wird gesucht, warum das so ist, erfährt man noch früh genug. Doch drehen beide den Spieß um. In Wahrheit können sie sich leicht finden lassen, sie besitzen einen Peilsender, welcher den Suchenden ihre Position verrät. Doch wozu die eigene Stellung preisgeben? Nun, an der Spitze derjenigen, welche nach Hanna und ihrem Vater suchen, befindet sich die CIA-Agentin Marissa Wiegler (Cate Blanchett), welche das eigentliche Ziel und Hanna’s Motivation ausmacht. Wiegler hat vor langer Zeit Hanna’s Mutter erschossen, sie verfolgt ihren Vater und Hanna und muss aus diesen diversen Gründen sterben. Ein Rachemotiv also.
So aktiviert Hanna den Peilsender und findet sich kurze Zeit später in einer Zelle wieder, wo sie mit Marissa Wiegler sprechen möchte, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Und so tritt Wiegler in Erscheinung, jedoch nur in Form einer Doppelgängerin, was Hanna natürlich nicht wissen kann, da sie die echte Marissa Wiegler noch nie zuvor gesehen hat. Sie soll die CIA-Agentin umbringen, was sie auch sogleich tut, indem sie der Doppelgängerin ohne Umschweife das Genick bricht. Schluck.
So glaubt Hanna, sie hätte den schlimmsten Feind ihrer Familie eliminiert und kann sich nun auf den Weg nach Deutschland machen, wo sie erneut auf ihren Vater treffen wird. Doch wie der Zuschauer weiß, lebt Wiegler nachwievor. Und diese hat ein ganz eigenes Interesse an der jungen Hanna. Dafür scheut sie nicht einmal zurück, skrupellose Auftragskiller zu engagieren und sich gar selbst die Hände schmutzig zu machen, sie will Hanna und ihren Vater Erik am besten gleich mit dazu. Ihre Gründe hierfür bleiben vorerst im Verborgenen…
Hanna beginnt ihre Reise Richtung Deutschland, entdeckt dabei für sich die ihr unbekannte Welt, trifft auf ihre erste wirkliche Freundin und erlebt alltägliche Situationen aus ihrer ganz eigenen und eher ungewohnten Perspektive. Dabei wird sie stets von Wiegler's Häschern verfolgt, welche nicht nur für sie und ihren Vater, sondern auch für die Menschen um Hannahherum eine große Gefahr darstellen…
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Das Wort „unerwartet“ passt perfekt zu Wer ist Hanna? Denn was man zu sehen bekommt, kann man nicht vorrausahnen. In Hanna passieren viel zu viele Dinge, die man nicht kommen sehen kann. Der Film ist unfassbar direkt, ohne Umschweife, sprunghaft und temporeich, mitten ins schockierte Gesicht hinein. Das fand ich großartig. So muss mich ein Film fesseln, soll er doch rigoros zeigen, was er übermitteln will, das bannt einen, so bleibt man uneingeschränkt aufmerksam, so erfährt man den Thrill. Großes Lob an Regisseur Joe Wright, seine Inszenierung ist einzigartig gut, authentisch und nachhaltig. Das nenne ich einen verdammt guten Thriller.
Hanna wird natürlich auch von den großartigen Schauspielleistungen getragen, unter welchen sich besonders Saoirse Ronan und Cate Blanchett hervortun. Die 17jährige(!) Ronan verkörpert Hanna so kühl, zugleich aber auch emotional, so hart und rigoros, obendrein aber auch verletzlich und unsicher. Fantastische Performance. Und Cate Blanchett, welche ich eigentlich nicht so sehr schätze, spielt endlich eine Rolle, die ihr in meinen Augen auf den Leib geschneidert ist. Die Rolle der Marissa Wiegler ist so undurchsichtig und gefährlich, ebenso spielt Blanchett eine unheimlich schlaue und kaltblütige Frau. Irgendwie machte sie einen sehr bedrohlichen Eindruck auf mich, die Wahl der Antagonistin und deren Umsetzung hätte nicht besser von Statten gehen können.
Eric Bana bleibt zwar ein wenig blass und feiert jetzt sicherlich nicht sein großes Kino-Comeback, doch ist auch seine Darstellung sehr überzeugend. Als gefürchteter Auftragskiller und ehemals in Diensten der Vereinigten Staaten von Amerika, ist auch er nicht zu unterschätzen, doch wirkt Erik arg hilflos, da er nicht weiß, wie er seiner Tochter beistehen kann. Tom Hollander (Cutler Beckett aus PotC) möchte ich noch erwähnen. Vor dem Typen habe ich mich am meisten gegruselt. Er spielt einen Bordellbesitzer aus Hamburg, welcher von Wiegler angeheuert wird, um Hanna einzufangen. Sein Auftreten, die Kleidung die er trägt, sein selbstgefälliger Gesichtsausdruck und sein verdammtes Pfeifen, der Typ erfüllt einem einfach nur mit Unbehagen. Sehr gut rübergebracht von Hollander.
Der große Pluspunkt von Wer ist Hanna? ist mit Sicherheit die Geschichte und deren Ablauf. Wie bereits geschrieben gibt es sehr viele offene Fragen und ungelöste Geheimnisse, sodass man jeden kleinen Schnipsel an Informationen aufsaugt. Doch stellen sich im nächsten Moment schon wieder ein Haufen neuer Fragen und letztendlich läuft es auf ein sehr intensives Finale hinaus, nach welchem man immer noch genügend unbeantwortete Fragen hat. Dazu kommt eine unheimlich bedrohliche Atmosphäre, die einen stets verunsichert, sodass man nicht wirklich weiß, woran man gerade ist oder wie nah nun Hanna’s Verfolger sind. Kurz und knackig: Spannung pur. Dabei hilft auch die extrem gelungene Musikauswahl ordentlich mit, welche wortwörtlich immer den perfekten Ton trifft und die Wirkung mancher Szenen noch einmal auf ein höheres Level hievt, sowie die äußerst gute Auswahl der Drehorte, wie z.B. der baufällige, verrottete und arg unheimliche Spreepark in Berlin. All diese Komponenten runden Wer ist Hanna? zu einem packenden und atemraubend Gesamtpaket ab, der dem Thriller-Genre vollends gerecht wird.
v.l.n.r. Eric Bana, die bildhübsche Soairse Ronan und Regisseur Joe Wright
Manch einen wird Hanna vielleicht zu rasant und sprungartig sein, was mir gerade sehr gut gefiel. Und vielleicht kommt einem auch die Story etwas hanebüchen vor, so muss man sich auf diesen einzigartigen Film schlicht und einfach einlassen, um komplett von seiner Dynamik und Spannung mitgerissen zu werden.
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Fazit
Sehr gut. Das hatte ich so nicht erwartet, doch Wer ist Hanna? gehört sich gefälligst angeschaut. Der Film wird viele überraschen, man denkt zwar man hätte einen kleinen Eindruck von der ein oder anderen Kritik oder Trailer, jedoch gibt es unzählige Momente in Wer ist Hanna?, mit denen man nicht rechnet. Die Besetzung ist sehr gut zusammengestellt, die musikalische Untermalung passend und die Kulissen sowie Szenenbilder hervoragend ausgewählt. Permanent schwingt eine fast angenehme Hektik mit, Wright schafft es aber auch ebenso, eine gewisse Balance zwischen rasanten und ruhigen Einstellung zu schaffen, was sich wiederum sehr gut auf das Tempo des Filmes auswirkt. Auf jeden Fall eine dicke Empfehlung von mir.
Wertung:
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Trailer:
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