Dienstag, 1. März 2011

Bist du bei Facebook?

Review
The Social Network

Du hast es geschafft. Du schwefelst Millionen, Milliarden an Dollar. Du kannst dir alles leisten, du kannst dir alles und vor allem jeden kaufen. Der Weg dorthin war nicht leicht. Du musstest sprichwörtlich über Leichen gehen, um jetzt da zu stehen, wo du bist. Kolleteralschäden werden für deinen Erfolg selbstverständlich in Kauf genommen. Und dann hast du es geschafft. Du hast alles. Und wiederrum nichts. Eine Geschichte über den jüngsten Milliardär bis dato, Mark Zuckerberg, den Erfinder von Facebook, welcher in David Finchers The Social Network als wohl einer der reichsten, zugleich aber auch einer der ärmsten Männer unsere Welt dargestellt wird.

Was will der komische Bomme jetzt eigentlich? Warum schreibt der jetzt was über The Social Network? Das ist doch schon fast ein halbes Jahr her, warum zum Teufel kramt der das jetzt nochmal hervor? Berechtigte Fragen. Nun, zugegeben, ich hab vor gut zwei Wochen zum ersten Mal The Social Network gesehen. Eines der unzähligen urig-kleinen Kinos Berlins hatte es noch im Programm und ich wollte ihn schon ganze Weile lang sehen, kam nie dazu oder verschob ihn auf der Prioritätenliste immer wieder ein Stückchen weiter nach unten. Im Nachhinein eigentlich großer Quatsch.

The Social Network hat nicht umsonst bei den Golden Globes groß abgeräumt und wird von dem Großteil aller Kritiker sehr positiv bewertet. Ebenso sind die acht Nomminierungen für die Oscars gerechtfertigt. Ich bin außerordentlich froh, mir noch vor der Oscarverleihung 2011 The Social Network angesehen zu haben. Ich konnte den Hype um diesen Film wenig bis gar nicht nachvollziehen. Und ebenso wenig gehöre ich nachdem ich den Film gesehen habe jetzt der Fraktion an, welche The Social Network über alles anhimmelt. Für mich ist The Social Network ein unglaublich interessanter, cleverer Film und in vielen Situationen eine Art Charakterstudie des Protagonisten Mark Zuckerberg, beeindruckend durch den jungen Jesse Eisenberg wiedergegeben.

Einige werden mehr, andere werden weniger mit The Social Network anfangen können. Bei letzteren ließe sich wohl Mark Zuckerberg höchstpersönlich dazuzählen. Im Vorfeld des Films wurden im Hintergrund und selbst in der Öffentlichkeit so einige dreckige Schlachten geschlagen. Denn es ist wohl offentsichtlich, dass David Fincher mit The Social Network mehr oder weniger versteckt Kritik an etwaigen Neo-Kapitalisten und rücksichtslosen Egoisten der heutigen Wirtschafts- und Lebenswelt geäußert hat. Auch wenn man sich von solchen Vorwürfen desöfteren distanzieren möchte, um weiteren Rechtsstreitigkeiten in Sachen Verleudmung aus dem Wege zu gehen. Und wenn man sich The Social Network ansieht, dann wird diese anfangs noch als versteckte Kritik betitulierte zu einem Wink mit dem Zaunpfahl.


Doch bevor ich zur eigentlich Kritik komme, eine kurze Inhaltsangabe:

Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) ist Student der Informatik an der Harvard University. Und er ist ein arroganter Kotzbrocken. Das sieht auch seine Freundin so und beendet die mehr anstrengende als liebevolle Beziehung zu dem engstirnigen, absolut von sich selbst überzeugten Rechenschieber-Virtuosen. Sei es aus der Enttäuschung oder Wut über diese Entwicklung heraus, setzt sich Zuckerberg spät nachts an seinen Rechner und programmiert die ihm gerade gekommene Idee einer Website, auf dem ein jeder die weiblichen Studenten der Harvard-Universität nach dem typisch männlichen Kriterium „Hot or not?“ bewerten kann. Hilfe bekommt er dabei durch den finanziell gut aufgestellten Wirtschafstwissenschafts-Studenten und zum derzeitigen Zeitpunkt Zuckerbergs bestem Freund Eduardo Saverin (Andrew Garfield). Die Sache kommt ins Rollen.

Und zwar ordentlich. Die Präsenz einer derartigen Internetseite, welche den Grad der Beischlafsattraktivität, um es galant auszudrücken, der Studentinnen Harvards ermittelt, stößt der Uni-Leitung und selbstverständlich auch den weiblichen Kommilitonen Zuckerbergs schwer auf's Gemüt. Nichtsdestotrotz verzeichent FaceMash eine wahnsinnig hohe Anzahl von Zugriffen in sehr kurzer Zeit. So werden die beiden Elite-Dandys und schweinereichen Kommilitonen Zuckerbergs, die Zwillingsbrüder Tyler und Cameron Winklevoss, (in etwas seltsamer Personalunion Armie Hammer und Josh Pence, dazu später mehr) auf diesen aufmerksam und beschließen Zuckerberg dafür anzuheuern, deren beider Idee eines sozialen Netzwerks der Universität Havard via Internet auf die Beine zu stellen.

Zuckerberg jedoch kocht sein eigenes Süppchen. Die Idee der Gebrüder Winklevoss sagt ihm nicht ganz zu, er verfeinert diese und fügt persönliche Ideen hinzu, sodass in kürzester Zeit TheFacebook online geht, ein soziales Netztwerk für sämtliche Studierende der Harvard-Universität, welches jedoch schon bald über die Grenzen dieser Fakultät hinausgeht und sich zu einem weltumfassenden Phänomen entwickelt. Eduardo Saverin steht Zuckerberg selbstredend zur Seite und schiebt immer wieder Geld hinterher, damit dass ganze Projekt auch am laufen bleibt.

Den Winklevosses gefällt TheFacebook und die Idee dahinter natürlich überhaupt nicht, sodass man sich später vor Gericht wiederfindet und Zuckerberg des geistigen Diebstahls beschuldigt. Und auch das Verhältnis von Zuckerberg zu Saverin fängt an zu bröckeln. Letzterer fühlt sich vom ersteren immer mehr ausgeschlossen und vermisst die Wertschätzung. Das kann vom natürlichen Neid Zuckerbergs auf Saverin her rühren, da Saverin kurz davor steht dem zukunftsweisenden Final Club der Harvard University beizutreten. Und wessen großer Traum war das wohl immer? TheFacebook wächst und wächst, außerdem gesellt sich der leicht narzisstische und aufdringliche Firmenmitbegründer von Napster, Sean Parker (Justin Timberlake), hinzu, was nur noch mehr Konfliktpozenial birgt, welches über kurz oder lang auf der Leinwand deutlich zu erkennen ist...

Jesse Eisenberg (fantastisch in Zombieland) ist ein Arschloch. Besser gesagt, er spielt eines. Ich hatte leider noch nicht die große Ehre, Mark Zuckerberg persönlich zu begegnen. Doch gleich zu Beginn von The Social Network wird dem Zuschauer klar, dass Mark Zuckenberg ein Arschloch ist. Wie unglaublich unhöflich und arrogant er allein in den ersten 10 Minuten des Filmes dargestellt wird, brennt sich dem Betrachter ins Gedächtnis, sodass man den ganzen Film über auch nicht vergisst, was Mark Zuckerberg für ein Typ ist. Das ist natürlich geschickt inszeniert von David Fincher, welcher sich ja auch nur an die Romanvorlage The Accidental Billionaires von Ben Mezrich hält. Inwiefern dies der Wahrheit entspricht, dazu möchte ich keine Vermutungen aufstellen. Festzuhalten ist jedoch, dass die Rolle des Mark Zuckerbergs klar definiert ist, Fincher spannt immer wieder den handlungsrelevanten Bogen zu dessen Eigentschaften und Jesse Eisenberg setzt das von ihm Gefordete sehr gut um. An dieser Stelle reichlich Lob an den Jungen, eine tolle schauspielerische Leistung.

Um es ehrlich einzugestehen, Eisenberg aka Zuckerberg macht The Social Network eigentlich auch komplett aus. Die Nebendarsteller dienen als Füllmasse in der Geschichte über einen jungen, äußerst intelligenten Computer-Nerd, welcher über Nacht Facebook gegründet hat. Füllmasse hört sich jetzt ziemlich negativ an, was jedoch nicht so verstanden werden sollte. Sämtliche Nebendarsteller machen eine gute Figur, allen voran Andrew Garfield als Eduardo Saverin, dem zum Ende hin ehemaligen CFO (Chief Financial Officer) von Facebook, von Anfang an Wegbegleiter von Zuckerberg, dessen menschgewordene Finanzspritze und Freund. Freund. Ein tolles Wort hinsichtlich The Social Network. Von denen ist Saverin aka Garfield nämlich einer der wenigen des Mark Zuckerbergs. Doch man erwartet es, dieses freundschaftliche Verhältnis geht schnell in die Brüche. Garfield spielt die Rolle des ambitionierten BWL-Studenten authentisch gut und gibt dessen innere Gefühlswelt während des gesamten Films sehr gut wieder, sodass der Zuschauer mit Leichtigkeit dessen stetige Gedanken wiedergeben könnte. Da freut man sich doch ein bisschen mehr auf The Amazing Spiderman, in welchem Andrew Garfield die Hauptrolle der freundliches Spinne aus der Nachbarschaft inne hat.

Justin Timberlake spielt auch mit. Und zwar als Mitbegründer der Internet-Musiktauschbörse Napster. Ich hatte so meine Probleme mit der Rolle, wobei ich anfangs Justin Timberlake selbst dafür die Schuld geben wollte, später dann aber mehr dem Charakter Sean Parker seltsam fand. Das liegt wohl daran, dass er auch ein Arschloch ist. Ich habe mich von Parker aka Timberlake persönlich richtig angewiedert gefühlt. So ein elender, profitgeiler Wurm. Deswegen muss man im Nachhinein Justin Timberlake eher noch ein kleines Kompliment für seine überzogene Darbietung machen.

Lasst mich noch Josh Pence und Armie Hammer erwähnen. Diese durften nämlich die beiden Zwillinge Tyler und Cameron Winklevoss verkörpern. Wobei verkörpern den Nagel auf dem Kopf trifft. Denn Josh Pence durfte Schulter abwärts Tyler Winklevoss mimen, sein Gesicht wurde später im Film durch das seines Kollegen Armie Hammer ausgetauscht, welcher die Rolle des Cameron Winklevoss spielt. Aber warum nur? Anscheinend wurde den Machern von The Social Network etwas zu spät bewusst, dass es sich bei den Gebrüdern Winkelvoss doch um eineiige Zwillinge handelt. Und natürlich wolle man so nah wie möglich an der Realität arbeiten. Der Cast stand aber schon und so ließ man sich diese etwas unkonventionelle, aber recht pfiffige Idee einfallen. Stellt euch vor, euer Angent ruft euch an und es hört sich ungefähr so an: "...Now, obviously these are identical twins. They're going to want to make them true to the story. In some way your face is going to be morphed..." Ulkig, aber keineswegs daneben. Es ist eine überzeugende Darbietung und die Geschichte dahinter macht es doch alles etwas süffisanter.

Ich will auch gar nicht so viel zu den Schauspielern loswerden. The Social Network an sich gibt ja so viel her. Allein über die Botschaft ließe sich ja stundenlang diskutieren und philosophieren, da jeder wohl andere Ideen und Gedanken zu diesem Film haben wird. Es ist die Geschichte über den Aufstieg eines jungen Menschen zu einem der reichsten Männer der Welt, allein auf seinen persönlichen Erfolg bedacht und rücksichtslos gegenüber Menschen, welche eigentlich seine Freunde sind. Ist das nicht wunderschön?

Die Academy Awards geben einem ja Recht, wenn man die schon beinahe faszinierende, auch wenn man den Pathos hinter diesem Wort nicht überbewerten sollte, Geschichte lobt. Gestern Abend durfte Drehbuchautor Aaron Sorkin für seine Umsetzung der Buchvorlage aus der Feder Ben Mezrichs den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch mit nach Hause nehmen.

Auch Regisseur David Fincher gehört einiges an Anerkennung gezollt, seine Handschrift ist deutlich zu erkennen. Der Amerikaner, bekannt durch den Kultklassiker Fight Club und dem zahlreich oscarnomminierten und ebenso prämierten Der seltsame Fall des Benjamin Button aus dem Jahre 2008, baut in The Social Network so oft sehr beschauliche und clevere Elemente ein, sei es ein kurzer Exkurs in Sachen Rudern oder gar zwei Verhandlungen mit Klägern und Angeklagten welche immer wieder zwischengeschoben werden und näheren Einblick in das Gebilde Facebook, seinen Erfinder und dessen Verhalten geben.

v.l.n.r.: Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Justin Timberlake, Regisseur David Fincher

und Drehbuchautor Aaron Sorkin

Bis hier her liest sich diese Kritik recht schön und in keinster Weise negativ. Ich möchte auch gar nicht versuchen, auf Biegen und Brechen The Social Network etwas Schlechtes abzugewinnen. Für mich ist The Social Network ein grundsolider, unglaublich interessanter Film, der von einem guten Drehbuch, einer tollen Umsetzung durch den Regisseur und einem exzellenten Hauptdarsteller lebt. Was ich jedoch nie nachvollziehen konnte, war oder ist der Hype um den ganzen Film.

Vielleicht liegt's an dem überaus modernen, realitätsnahen Thema. Oder an der allgemeinen Schelte gegenüber rückgratslosen Egomanen á la Mark Zuckerberg, wobei man zu dessen Verteidigung natürlich sagen muss, dass wohl nur knapp 40 % des Inhalts der Romanvorlage The Accidental Billionaires der Wahrheit entsprechen soll.

The Social Network wird pausenlos gelobt und hat auch schon Unmengen an Filmpreisen eingeheimst. Aber in Anbetracht der Konkurrenz fällt er meiner Meinung nach ab. Das ist beileibe nichts verwerfliches, den die Konkurrenz war im Oscarjahr 2011 unfassbar gut. Trotzdem zirkulierte The Social Network immer sehr weit oben in den Augen der Kritiker, was ich zu einigen Zeitpunkten schwer nachvollziehen konnte.

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Fazit

Es hat den Eindruck, ich beende diese Kritik recht negativ, was die Qualität von David Finchers The Social Network schmälern würde. Da muss ich schleunigst die Kurve kriegen, den der Film gehört zweifelsohne zu den ganz Großen des Oscarjahres 2011. Drehbuch, Regie und Darsteller, allen voran Jesse Eisenberg in der Rolle des Mark Zuckerberg, sind verdammt gut und liefern gemeinsam einen sehr ansprechenden und klugen Film ab, der mit seiner Botschaft „You don't get to 500 million friends without making a few enemies“ dem einen oder anderen in unserer heutigen, modernen Welt der sozialen Netzwerke die Augen öffnet. Besonders dem jungen Publikum wird viel gegeben, da sich wohl der Großteil von diesem selbst in sozialen Netzwerken aufhält und bewegt. Ein toller Film, um die gesamte „Gefällt mir“- Gesellschaft kritisch zu betrachten und sich dieser desöfteren auch zu entziehen. Denn die virtuellen Freunde sind meistens nur Gesichter von Unbekannten, wo wir doch alle wahre Freunde haben, die uns viel mehr geben als plumpe Kommentare oder nervtötende „Likes“. Es ist überhaupt nichts schlimmes, bei sozialen Netzerken angemeldet zu sein, sie können nützlich und hilfreich sein. Doch man sollte es nicht übertreiben. Es gibt auch ein Leben ohne interaktive Benutzeroberfläche. Bin ich nicht ein fantastischer Moralapostel?

Mein Facebook-Profil war übrigens auf dieser Seite verlinkt. So viel dazu.

Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Besser so.

Wertung:

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Trailer



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