Tucker and Dale vs. Evil
Horrorfilme. Ein Genre für sich. Vielleicht sogar neben dem des pornographischen Films das meist produzierte Genre, dass es gibt. Denn Horrorfilme gibt es wahrscheinlich weitaus mehr als in Wirklichkeit Zuschauer dafür existieren. Und dann haben sich ja über die Jahre etliche Subgenre herausgebildet, sei es Psychohorror á la Paranormal Activity, Torture Porn wie die jedem bekannte SAW-Reihe, Splatter, klassische Monster- oder Zombieschinken und immer so weiter. Die Liste ließe sich unendlich weit fortführen. Eines dieser Subgenre ist jenes der Horrorkomödie. Grusel, Schock, Angstzustände kombiniert mit Klamauk. Mit übertrieben Humor und überspitzten, überzogenen Persiflieren von Horrorfilmen, gerade was die altehrwürdigen Klischees des Horrorgenres angeht, kann man heutzutage durchaus erfolgreich sein und ordentlich Geld verdienen. So auch bei Tucker and Dale vs. Evil. Gut, wie viel Kohle die Produzenten mit diesem Film gemacht haben lässt sich jetzt schwer sagen. Aber der Erfolg ist auf jeden Fall da. Massig gute Kritiken lassen sich zu Tucker and Dale vs. Evil finden. Und diemeinige geht in vielen Punkten mit diesen Kritiken konform, obwohl man ganz objektiv zugeben muss, dass es das ein oder andere zu bemängeln gibt.
Eigentlich stand Tucker and Dale vs. Evil ziemlich weit unten auf meiner „Komm-schon-geh-ins-Kino-und-schau-dir-den-Film-an!“-Liste. Ein typischer Festivalfilm, wo man sich freut, dass er dann doch in ganz normalen Kinos läuft. Nichtsdestotrotz, ich war gerade dabei die Planung für die kommende Kinowoche abzuschließen, wo Granaten wie The King’s Speech, 127 Hours und True Grit fest eingeplant waren, da kommt die Kunde, da wolle jemand sich am Freitagabend Tucker and Dale vs. Evil anschauen. Warum denn nicht? Ich vermeide es zwar Freitag, Samstag oder Sonntag ins Kino zu gehen, da die Preise da unverschämt hoch sind. Aber gut, vorher sollte noch fürstlich gespeist werden, wozu ich aufgrund meines Geburtstags sogar noch eingeladen wurde. Also ran an den Speck, dann schauen wir uns halt Tucker and Dale vs. Evil an!
Das Kino war nicht besonders gefüllt, die üblichen Trailer flimmerten über die Leinwand, wo sich noch kurz zuvor eine 90-60-90-Göttin genüsslich ein Stück Butter, äh, ich meine natürlich ein köstliches Magnum-Mandelkrokant-Hasenköttel-Eis einverleibte. Und dann ging’s auch schon los. Ich gehe ja eigentlich nie ins Kino, ohne vorher zu wissen, wie der Hase laufen wird. Außer bei 127 Hours, da war ich unvorbereitet, was den Film gleich nochmal besser gemacht hat. Das ist aber eine andere Geschichte, welche zu gegebener Zeit hier noch erzählt wird. Bei Tucker and Dale vs. Evil wusste ich im Ansatz und darüberhinaus, was mich erwarten würde. Und wirklich überrascht war ich dann demzufolge auch nicht. Es kam eine sehr unterhaltende Horror-Splatter-Komödie daher, welche mit der Zeit etwas an Reiz verlor. Es gab grandiose Lacher, doch ebenso lahmte Tucker and Dale vs. Evil an einigen Stellen gewaltig. Damit der Film aber ja nicht zu schlecht wegkommt, habe ich mir was ganz feines ausgedacht. Meine ganz persönliche Deutung, warum es denn in vielen Punkten gehapert hatte. Oh ja Freunde, macht euch bereit. Nach der Inhaltsangabe. Shazam!
Diese verdammten Hillbillys, zu gut deutsch Hinterwäldler. Alles verrückte Axtmörder, Psychopathen, kaltblütige Geisteskranke, die zurückgezogen in irgendeinem Wäldchen in irgendwelchem Bergen leben. So denken zumindest Chad (Jesse Moss), Alison (Katrina Bowden) und deren Studenten-Freunde, als sie das erste Mal Tucker (Alan Tudyk) und Dale (Tyler Labine) zu Gesicht bekommen. Die jungen Leute wollen einen entspannten Urlaub in einer ruhigen Wald- und Berggegend vollbringen, die Semesterferien und sich selbst feiern. Doch als sie unvorhergesehen an einer Tankstelle inklusive Lebensmittelgeschäft auf die beiden etwas debilen, aber eigentlich sehr zuvorkommenden und freundlichen Burschen Tucker und Dale treffen, bekommen sie es mit der Angst zu tun.
Man kennt ja diese Horrorfilme, in welchen eine Gruppe junger Studenten Opfer von rücksichtslosen und wahnsinnigen Hinterwäldlern werden. Untermauert wird diese These durch etliche Werkzeuge und Arbeitsutensilien, welche die beiden "Dorftrottel" während des ersten Annäherungsversuches durch Dale zu den Studenten und vor allem zu der bezaubernden Alison, in welche er sich doch glatt verguckt hat, auf die Ladefläche ihres Fahrzeuges packen. Kettensäge, eine überdimensionale Sense, ein oder zwei Äxte… Das alles macht der jungen Gruppe um Rädelsführer Chad gehörig Angst, sodass man beschließt, schnellstmöglich das soeben erworbene Bier zu verstauen und dann die Kurve zu kratzen.
Wie es der Zufall will, trifft man jedoch erneut auf die beiden „Psychopathen“ und muss mit ansehen, wie sie ihre Freundin Alison entführen. Zumindest in den Augen der Studenten. Denn eigentlich retten Tucker und Dale die hübsche Dame vor dem Ertrinken und versuchen dann, deren hysterischen Freunden mitzuteilen, dass diese in den Teich gefallen wäre und sie sich keine Sorgen machen müssten, weil Tucker und Dale zufällig zur Stelle waren und sie vor einem schlimmeren Schicksal bewahren konnten. Die Studenten halten aber nix von zuhören und rennen lieber panisch zurück in den Wald, so wie es sich für einen ordentlichen Horrorfilm gehört.
Tucker und Dale bringen die leicht verletzte Alison in Tuckers brüchiges und kürzlich in seinen Besitz übergegangenes Ferienhaus, welches er und Dale eigentlich übers Wochenende auf Vordermann bringen wollten. Als die Gerettete dort wieder zu Bewusstsein kommt, macht sich auch bei ihr schnell Panik und Angst breit. Bis sie jedoch erkennt, dass ihr Tucker und vor allem Dale überhaupt nix Böses wollen. Im Gegenteil, sie versorgen Alison und Dale kümmert sich liebevoll um sie. Von wegen aggressive Psycho-Mörder.
Wenn das doch auch nur die restlichen Studenten so sehen würden. Halb verzweifelt, halb entschlossen wollen sie um jeden Preis ihre Freundin aus den Klauen der geisteskranken Hillbillys befreien. Allen voran Chad, dessen absurdes und geisteskrankes Verhalten den jungen Studenten mehr Angst als Tucker und Dale machen sollte. Chad und Konsorten blasen zum Gegenangriff und dabei geht alles schief, was schief gehen könnte. Und Tucker und Dale wissen gar nicht wie ihnen geschieht und warum sich die jungen Leute auf einmal so komisch verhalten…
Es hat nur noch ein Stromausfall gefehlt. Alles war dabei. Sei es die sinnlose und unnötige Shaky-Cam-Aufnahme in den ersten 5 Minuten des Films, das Klischee der blutrünstigen und hohlen Hinterwäldler, eine junge Studententruppe, gefährliche elektrisch-mechanische Geräte wie Kettensäge oder Häcksler, ein typisches Horrorfilmfinale in einem alten, nicht mehr betriebenen Sägewerk und noch unzäh
lige andere Elemente, die selbst ich als dem Horrorgenre weniger zugeneigtem Menschen kenne und wo ich leicht in der Lage wäre, problemlos weitere Klischees aufzuzählen. Regisseur und zugleich Drehbuchautor Eli Craig hat wirklich so gut wie alles abgearbeitet, als hätte er eine Strichliste gehabt. Allein der äußerst gelungene Versuch, sämtliche Vorurteile des Horrorgenres zu persiflieren, macht Tucker und Dale vs. Evil sehenswert.
Aber jetzt erst einmal zu meiner vorherangekündigte Theorie zu den teileweise lahmen Stellen des Films. Ich denke, dass Eli Craig und sein Kollege Morgan Jurgenson, ebenfalls am Drehbuch beteiligt, ihren Film ganz bewusst so aufgebaut haben. Wie einen Horrorfilm halt. Dieses Konzept, das Horrorgenre auf die Schippe zu nehmen, bezieht sich also nicht nur auf geläufige Elemente und markante Momente dieses Genres, sondern auf das Ganze, des letztendliche Resultat, auf den gesamten Film. Und das ist den beiden gelungen. Ich fühlte mich während der Vorstellung des Öfteren gelangweilt, so wie es bei normalen Horrorfilmen in vielen Situationen der Fall ist. Das ist jetzt natürlich Auslegungssache, für manch anderen haben Craig und Jurgenson vermutlich es einfach verpasst, die Geschichte in vielen Momenten spannend zu gestalten. Mir gefällt meine Theorie aber besser. Durch diese Art der Parodie des Horrorgenres wird der Film viel amüsanter und subtiler, nicht so, wie vielen anderen Horrorkomödien, siehe den nächsten Absatz.
Wenn man einen Film wie Tucker und Dale vs. Evil mit anderen Horrorkomödien vergleicht, fällt einem schon einiges auf. Nehmen wir als Gegenbeispiel die Scary Movie-Reihe. Gott, ist die schlecht. Ein jeder findet diese Filme lustig, weil man sie sich immer mal wieder ansehen und darüber lachen kann. Jeder Film ist ein billigeres Gagreel als der vorherige, man versucht, klassische Horrorelemente ins lächerliche zu ziehen und ebenso klassische Horrorfilme zu parodieren. Dabei wird derart überzogen gearbeitet, dass es anfangs witzig, dann schlecht und wiederum witzig wird, weil es so schlecht ist. Bei Tucker and Dale vs. Evil ist das etwas anders.
Natürlich sitzt man im Kino uns sagt sich, wie schlecht und billig das da vorne bitte ist. Aber allein die realitätsnähere Vorstellung als der ganze Scary Movie-Quark hievt den Film auf einen ganz anderen Level. Der gesteckte Rahmen wird eingehalten und, Gott sei Dank, so lustig es auf den ersten Blick auch erscheinen mag, es gibt nun mal keinen verdammten Michael Jackson, der in irgendeinem Kinderzimmer sitzt und vor sich hin kichert. Diese plumpen, und, wenn es ein Wort gibt, welches als eine Steigerung von abgedroschen angesehen werden kann, so möge es hier eingesetzt werden, Witze fehlen zum Glück in Tucker and Dale vs. Evil. Natürlich gibt’s es auch hier abgedroschene Witze, aber hinter denen steckt weitaus mehr Köpfchen als in manch anderer Horrorkomödie.
Kommen wir zu den Darstellern. Treffend besetzt, mehr kann man dazu nicht sagen. Alan Tudyk als Tucker und Tyler Labine als Dale sind ein herrlich schräges Paar, Buddy Love at its best. Beide sind nicht die hellsten Leuchten, wobei man der Rolle des Tucker etwas mehr Intelligenz zumutet. Von ihm geht zumeist die Initiative aus und Tudyk (Ritter aus Leidenschaft, Todeszug nach Yuma) hat keinerlei Probleme, diese Figur glaubwürdig zu verkörpern. Labine (kennt man aus Reaper in der Rolle des "Sock") darf augenscheinlich den hohleren Part übernehmen, obwohl Dale gar nicht so dumm daherkommt, wie er in Wirklichkeit ist. Hinzukommt der liebevolle und gutherziger Charakter, welcher mit dermaßen hoher Grenzdebilität erst einmal gut gespielt sein möchte. Außerdem punkten beide Hauptdarsteller ungemein mit ihrer Körpersprachen und Mimik. Wie man so doof aussehen, sich verhalten und bewegen kann. Sehr gut.
Liest sich jetzt alles besser als es in Wirklichkeit ist. Oscarreif war da nichts. Aber bei solchen Filmen, die schnell mal unter den Tisch fallen, darf man den vermeintlichen Hauptdarsteller auch mal eine gute Leistung bescheinigen.
In der Gruppe der Studenten tun sich Katrina Bowden als die von Dale angehimmelte, wunderschöne Alison hervor, ihr Freund und geisteskranker Anführer der "College kids" Chad, gespielt von Jesse Moss und vielleicht noch die eine blondhaarige Zippe, die andauernd kreischend durch die Walachei rennt und definitiv zu viel Make-up trägt. Das fällt nun mal auf. Wie ihr Name ist? Woher soll ich den das wissen? Es handelt sich nun mal um Namenlose oder besser gesagt, um eine der üblichen Verdächtigen, die in Horrorfilmen immer das Zeitliche segnen. Tiffany, Brittany, Sarah, Brad, Chuck und wie sie alle heißen. Abermals perfekt persifliert von Eli Craig und Morgan Jurgenson. Jesse Moss spielt die Rolle des Chad vollkommen in Ordnung und zugleich grauenhaft schlecht. Das schieben wir jetzt nicht auf sein schauspielerisches Talent, sondern viel mehr auf die Regieanweisungen. Denn er musste so schlecht spielen. Und das war wiederum passabel. Ach ja, Katrina Bowden ist verdammt heiß. Ein echter Hingucker. Natürlich hat auch sie so eine stereotypische Rolle als Love Interest für Dale inne, nichts weltbewegendes, aber optisch von allerbester Güte.
Das Setting hätte passender nicht sein können, genauso erwartet man es in einem „billigen“ Horrorfilm. Schön abgeschieden von der Außenwelt, irgendwo in Kentucky, Missouri, Kansas oder wo auch immer, in irgendeinem dichten, modrigen Wald. Da, wo dich auf jeden Fall keiner schreien hört. Man kennt es ja nicht anders. Und dann darf man sich noch über clever eingesetzte Slow Motions amüsieren, von denen es vielleicht zwei oder drei gibt, welche aber unfassbar lustig und brilliant inszeniert sind. Ein auffällig fetter Pluspunkt.
Wo noch etwas mehr Luft nach oben wäre, ist der Grad der Radikalität, den ich gerne noch etwas exzessiver gesehen hätte. Und wenn ich mehr Radikalität sehen möchte, mag das was heißen. Dass die ganze Geschichte durchsichtig und voraussehbar war, ist ja nix neues. Aber man hätte ruhig noch mehr über die Stränge schlagen können. Vermutlich hätte man dafür auch mehr Studenten gebraucht. Und vielleicht wäre es den Machern von Tucker and Dale vs. Evil dann auch wieder zu abgedroschen geworden, wenn sie so um die 10 junge Menschen auf die absurdesten Weisen hätten umkommen lassen müssen. Aber so hätte es an einigen Stellen vielleicht auch nicht so gelahmt.
2.v.l.: Alan Tudyk. Rechts neben ihm: Tyler Labine. Ganz rechts: Regisseur Eli Craig
Dieser Kritikpunkt ließe sich jedoch wiederum mit der Prämisse umgehen, dass man doch eine wahre Horrorfilmparodie, in der es nun mal wie in so vielen Horrorfilm oft langweilig ist, machen wollte, was Eli Craig und Morgan Jurgenson definitiv geglückt ist.
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Fazit
Gelungen. Es ist kein Meilenstein der Filmgeschichte, wahrscheinlich auch nicht des Horrorgenres, aber man bekommt mit Tucker and Dale vs. Evil gute Unterhaltung geboten. So ein typischer DVD-Abend-Kumpel-Film á la Machete (Review) oder From Dusk Till Dawn (Review). Man kann mit Tucker and Dale vs. Evil nicht viel falsch machen und wenn man sich dann noch etwas mit den altbekannten Horrorfilmen unserer Zeit auskennt, fallen einem unheimlich viele witzige Details auf. Das es an manchen Stellen nicht wirklich vorangeht kann man dem Film anlasten, jedoch ist es immer noch angenehmer, als im Sekundentakt einen stupiden Gag nach dem anderen ertragen zu müssen. Da steckt in Tucker and Dale vs. Evil weitaus mehr dahinter. Es verwundert nicht, dass dieser Film beim Sundance Film Festival 2010 gut weggekommen ist und auch hier bei seiner Premiere auf dem Fantasy Filmfest 2010 (an dieser Stelle ein Veweis auf die Fantasy Filmfest Nights im März) gefeiert wurde. Ein origineller Film und eine schöne Abwechslung zu dem bekannten Comedy-Quatsch im Horrorgenre.
Wertung:
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Trailer
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