Donnerstag, 3. November 2011

Die Welt geht unter. Gibt schlimmeres.

Review

Melancholia


Schon ok, ich weiß, was ihr denkt. Jetzt kommt bestimmt wieder so ein Lobgesang auf eine Festivalperle, ganz besonders, höchstanspruchsvoll, Studiokino-like. Und manch  einer würde genau das machen, Lars von Triers neuester Film Melancholia wird von so gut wie jedem Kritiker in den Himmel gelobt und fand insbesondere auf dem diesjährigen Filmfestival in Cannes große Anerkennung. Den Hype wollte ich also gerne nachvollziehen. Rausgekommen ist dabei ein wenig Verwunderung und etwas Enttäuschung. 


Lars von Trier war ein großes Thema in Cannes. Nun, eigentlich hat sich der Däne selbst zu einem gemacht. Der 55jährige Däne gehört wohl zu den umstrittesten Regisseuren Europas, wofür nicht nur sein äußerst verstörendes Werk Antichrist ein Grund sein könnte. Auf den Filmfestspielen in Cannes diesen Jahres sorgte er für einen Rieseneklat, als er Verständnis für Adolf Hitler zeigte, wie er vor gut 65 Jahren in den letzten Stunden seines Lebens alleingelassen in seinem Bunker hockte und seinem Ende entgegensah. Das brachte von Trier neben harschen Kritik sogar einen wunderbar zusammenfassenden Wikipedia-Artikel ein.

Die Presse zerfleischte den guten Lars, dieser entschuldigte sich vehement, schob seine fälschlichen Aussagen unter anderem auf sein beschränktes Englisch. Aber bitte, gerade dann meidet man doch solche pikanten Fragen und gibt kein Kommentar dazu ab. In all dem Trubel ging sein Film Melancholia fast unter, hätten die Kritiker nicht einen Narren an diesem Streifen gefressen. Bei mir halt sich dagegen die Begeisterung in Grenzen. Melancholia ist ein außergewöhnlicher Film, doch packt er mich im Großen und Ganzen einfach nicht. Ausschweifende Symbolik hin oder her.

 
Kurz zum Inhalt:

Wir sehen ein junges Paar in einer gigantischen Limousine sitzen, sie im strahlendweißen Brautkleid, er im eleganten Anzug. Justine (Kirsten Dunst) und Michael (Alexander Skarsgård) befinden sich auf dem Weg zu ihrer Hochzeitsfeier und verspäten sich fürchterlich, weil die vorher erwähnte Limousine zu groß für einen schmalen Feldweg ist. Irgendwann kommen die beiden doch noch an und werden mit erbostem Blick von Justines Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) und ihrem Mann John (Kiefer Sutherland) auf deren kleinen Chateau empfangen. Die Feiergemeinschaft hat trotzdem großen Spaß, im Laufe des Abend distanziert sich die zierliche Justine jedoch immer mehr von ihrer eigenen Hochzeitsfeier. Man merkt es ihr an, irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Sie macht einen sehr niedergeschlagenen und labilen Eindruck.

Diese kleine Geschichte wird dem Zuschauer als Teil 1 des Films verkauft, unter dem Namen "Justine". Es folgt der zweite Teil, "Claire", in dem wir wieder ein Blick auf das beschauliche Anwesen von Justines älterer Schwester Claire und ihrem Mann John bekommen. Erneut erwarten die beiden Justine, welche sich diesmal jedoch in einem noch viel schlimmeren Zustand als noch zu ihrer Hochzeit befindet. Sie wollen ihr helfen und nehmen Justine erst einmal bei ihnen auf. Doch es kommt noch dicker, neben der depressiven Justine müssen sich Claire und ihrer Familie auch noch einer Bedrohung from outer space stellen. Der Planet Melancholia bewegt sich gen Richtung Erde, soll diese aber nur ganz knapp verfehlen und den blauen Planeten folgenlos passieren. Claire traut dem Braten aber nicht. Was ist, wenn Melancholia doch mit der Erde zusammenstößt und diese dann zerstört wird? Es entwickelt sich eine Geschichte voller Existenzängste für die einen und süßer Erlösung für die anderen...


Ich weiß nicht, selbst mir kommt diese kurze Inhaltsangabe etwas schwammig vor. Nehmt es mir nicht übel, besser bekomme ich es nicht hin. Melancholia hat mich etwas verdutzt. Schwer einzuordnen, so ein Festivalkaliber. Versteht mich nicht falsch, ich mag von Zeit zu Zeit wirklich gute Festivalfilme, so wie zum Beispiel The Tree of Life, wo die Meinungen aber sicherlich auch sehr weit auseinandergehen. Bei Melancholia hatte ich das Gefühl, dass von Trier dem guten Terrence Malick nacheifern wollte. Auch wenn The Tree of Life und Melancholia verschiedener nicht sein könnten, ähneln sie sich in ihrer opulenten, von orchestralen Klängen begleiteten Inszenierung und bildgewaltigen Momenten sehr.

Vielleicht war mir Melancholia auch zu mehrdeutig. Zu viel Meta-Ebene, zu viel versteckte Symbole und Metaphern, zu viel Unoffensichtliches. Wie bereits gesagt, ab und zu macht mir sowas große Freude, aber Melancholia hat mich in dieser Hinsicht gar nicht abgeholt. Ja, es gibt wirklich tolle Aufnahmen, detailreich, wunderbar mitanzusehen und intensiv. Doch fehlt schlussendlich die Dynamik, um mich mitzureißen. Und hier liegt wohl in meinen Augen die größte Schwäche von Melancholia: Der Film lässt sich unglaublich viel Zeit. Viel zu viel Zeit. Stellenweisen langweilt man sich zu Tode, es passiert so gut wie gar nichts, Filmstudenten jubeln innerlich über gefühlvolle und sanfte Einstellungen, doch ich für meinen Teil hatte eher das Gefühl, dass sich Lars von Trier phasenweise von seiner "filmischen Genialität" selbstbeweihräuchert hat lassen.


Nichts gegen von Trier. Er ist ein außergewöhnlicher Filmemacher und wollte nun endlich einen großen Coup landen. Und das wäre ihm wohl auch gelungen, hätte er sich in Cannes nicht selbst in Teufels Küche gebracht (siehe oben). Er selbst gab zu, dass er mit Melancholia (und auch mit Antichrist) seine eigenen Depression habe verarbeiten wollen. Und der Einblick in die Psyche seiner Hauptfigur Justine ist ganz groß und sehr gut gelungen, doch reicht das für meinen Geschmack nun mal nicht aus.

Gegen die Schauspieler lässt sich trotzalledem überhaupt nichts schlechtes sagen, insbesondere Kirsten Dunst (hat für ihre Performance die Goldene Palme als beste Darstellerin in Cannes erhalten) und Charlotte Gainsbourg brillieren. Dunst mimt die depressive Justine überragend und verstörend zugleich und wird sich berechtigte Hoffnungen auf eine Oscarnomminierung machen dürfen. Außerdem sieht man sie sich nackend im Lichte des heransausenden Planeten Melancholia rekeln. Das könnte sie auch mal bei mir vor dem Fenster machen. Gainsbourg spielt ihren Gegenpart und auch sie macht das ganz hervorragend als sorgende Mutter, die um jeden Preis ihren Sohn beschützen will. In den Nebenrollen darf man sich auf neben Kiefer Sutherland und Alexander Skarsgård auch auf dessen Vater Stellan sowie John Hurt freuen.


Mit mehr Dynamik, mehr Tempo und weniger komischer Handkamera, die wie wild wackelt und einen schwer zu schaffen machen kann, hätte mir Melancholia wirklich gut gefallen. Es muss ja kein wildes Hin-und-her-Springen sein, wo eine rasante Kamerafahrt auf die nächste folgt. The Tree of Life hatte auch seine Längen, doch hatte ich da das Gefühl, das etwas passiert. In Melancholia folgt ein deutungsvolles Bild auf das andere, dazu immer wieder die gleiche klassische Musik aus der Feder Richard Wagners. So schön manch eine Aufnahme ist, so tiefsinnig die Charaktere der beiden Schwestern Justine und Claire sind, so sehr einen ihre Entwicklung in angesichts des sicheren Todes durch den Zusammenprall der Erde und Melancholia einen fesseln sollte, Lars von Trier einen fehlenden roten Faden vorzuwerfen, dieser Vorwurf wiegt schwer, doch so falsch erscheint er einen nicht.

Am Ende wird man nochmal aus dem Kinositz zerrissen, dann gibt es den großen Knall, der so schön bildgewaltig ist, dass man dem Film doch ein gutes Gesamtergebnis attestieren möchte. Die Intensivität der letzten 20 Minuten, davon ein wenig mehr über den Film verteilt, vielleicht hätte mir das schon gereicht. 

Lars von Trier mit speziellen Fingerknöcheltattoo. 
"Fuck" ist dänisch und heißt grob übersetzt so viel wie "Ich liebe euch alle."
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Fazit

Vorneweg: Kein schlechter Film. Wenn man auf Festivalfilme steht, dann sollte man mal einen Blick auf Melancholia werfen. Der Film gibt einiges an Diskussionsstoff her und möchte offfensichtlich hinterfragt werden. Es gibt tollen Aufnahmen und hervorragende schauspielerische Leistungen, außerdem gefällt die Prämisse, einen Weltuntergang mal aus einer solchen Perspektive zu betrachten gut. Trotzdem, Melancholia ist zu lahm, langsam, undynamisch, sucht euch was aus. Da täuschen auch einzelne Momentaufnahmen nicht hinüberweg, Lars von Trier hat sich in seiner Erzählung viel Zeit gelassen, zu viel vielleicht, um jeden von Melancholia zu überzeugen. Vielleicht braucht es auch seine Zeit, um Melancholia richtig einzuordnen. Ich war und bin nachwievor etwas enttäuscht und hatte mir mehr erhofft. Beim nächsten Mal dann, Lars.

Wertung:

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Trailer


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