Samstag, 14. Mai 2011

Imagine This

Review

Nowhere Boy

Auch wenn dieser Kinobesuch eine ganze Weile her ist, zu dem Film Nowhere Boy muss ich einfach ein paar Worte verlieren. Und da es sich um einen sehr interessanten und guten Streifen handelt, fällt es mir nicht so schwer, mich an Nowhere Boy zu erinnern. Nowhere Boy ist ein wunderbar biographischer Film über den jungen John Lennon und seine ersten Versuchen im Musikgeschäft. Dabei stehen die emotionale und oft sehr stimmungsvolle Inszenierung, sowie der junge Hauptdarsteller Aaron Johnson im Mittelpunkt. Orientiert hat sich Regisseurin Sam Taylor-Wood an dem durchaus erfolgreichen Roman Imagine This: Growing Up With My Brother John Lennon von Julia Baird, Halbschwester John Lennons.


Eigentlich interessieren mich The Beatles überhaupt nicht. Natürlich kennt man den einen oder anderen Hit der englischen Pop-Ikonen. Doch ist es weder meine Zeit noch mein Musikgeschmack. Nicht falsch verstehen, die Beatles haben zu ihrer Zeit eine fantastisch e melodische und musikalische Arbeit abgeliefert, doch mich interessieren sie schlicht und einfach nicht.

Nichtsdestotrotz, die Beatles sind Kult und haben Abermillionen Menschen rund um den Globus begeistert und gehören definitiv zu den Klassikern unserer Pop-Musik. Besonders John Lennon tat sich aus dieser Riege talentierter Musiker hervor. Ja ja, Paul McCartney auch, ich weiß. Aber John Lennon war ein Rebell, ein aufrührerischer Charakter, frei Schnauze raus, wie’s ihm gerade passte. Nicht flegelhaft, eher ehrlich und unausweichlich. Und mit einem unfassbaren musikalischen Talent gesegnet. Umso tragischer war das auf ihn verübte Attentat am 08. Dezember 1980, bei welchem er tödlich verwundet wurde und infolgedessen verstarb.

Doch lebt sein Mythos nachwievor weiter. Oft wird er zitiert, sein Konterfei prägt Plakate, selbst im Fernsehen kann man ihn heutzutage sehen. Auch Regisseurin Sam Taylor-Wood scheint ein gewisses Interesse an jenem John Lennon zu haben. So machte sie sich nämlich daran, einen autobiographischen Film über den in Liverpool geborenen Springinsfeld zu machen. Dabei legte sie ihren Fokus auf den John Lennon im Teenager-Alter. Also keine Plizkopffrisuren und keine Yoko Ono. Nicht schlimm, denn Nowhere Boy ist ein richtig gutes Biopic über einen jungen aufbrausenden, aber oft auch missverstandenen Rocker.

Zum Inhalt:

John (Aaron Johnson) ist ein ganz schöner Chaot. Um Regeln schert er sich nicht, Vorschriften sind ihm ein Gräuel, er nimmt das Leben wie es kommt. Auf Schule hat er keinen Bock, er hängt lieber mit seinen Freunden ab, stellt den hübschen Mädchen seines Heimatortes nach und genießt stundelang Musik im Radio. Dass das seiner Tante Mimi (Kristin Scott Thomas) weniger gut gefällt, ist wohl offensichtlich. Egal, sein Onkel George (David Threlfall) sieht das ganz locker, für John ist dieser wohl der einzig vernünftige Erwachsene den er kennt. Umso schlimmer ist wohl dessen plötzlicher Tod, den John überhaupt nicht gut verkraften und infolgedessen er in eine tiefere Sinnkriese verfällt.

Doch nicht nur das beschäftigt den Jungen. John ist in einem Alter, in dem er kurz vor seiner persönlichen Unabhängigkeit steht. Er trifft nun seine eigenen Entscheidungen, ist sein eigener Herr. So denkt er zumindest. So entscheidet er auch für sich selbst, endlich seine wahre Mutter aufzufinden. Seine Tante Mimi, die Schwester seiner Mutter (Anne-Marie Duff), nahm John im jüngsten Kleinkindalter auf und verbot ihm, je nach seiner Mutter zu fragen. In der Beziehung der beiden Schwestern liegt auf den ersten Blick einiges im Argen. Doch das kümmert John nun nicht mehr, er sucht seine leibliche Mutter auf.

Und diese ist natürlich voll aus dem Häuschen. Ihre Freude ist riesengroß, ebenso ergeht es John. Sie kann ihr Glück kaum fassen, will sogleich so viel wie möglich Zeit mit ihren heimgekehrten Sohnemann verbringen. Und auch John gefällt es bei seiner Mutter, am liebsten würde für immer bei ihr bleiben und nie wieder zu seiner strengen Tante Mimi zurückkehren.

Langsam wird John bewusst, woher seine Begeisterung für Musik hat. Seine Mutter hört ähnlich fanatisch den Rhythmen und Klängen von Schallplatten oder im Radio zu. Durch sie kommt er auch zu seinem ersten Musikinstrument, einem Banjo. John übt und übt, er spinnt große Pläne über seine Zukunft als Rockstar zusammen. Schon bald stellt er eine eigene Band auf die Beine, The Quarrymen, hat erste Auftritte und eigene Groupies.

Doch so sehr ihm die Musik Spaß macht, so sehr erkennt man seine innere Zwiespältigkeit. Am liebsten wurde nur noch auf seiner Gitarre rumklimpern, welche ihm übrigens seine Tante Mimi geschenkt hat, ebenso würde er am liebsten nur noch bei seiner Mutter sein. Doch diese kämpft mit psychischen Problemen, verfiel selbst einst dem Drogenkonsum. John liebt seine Mutter, doch kann er immer noch nicht nachvollziehen, warum sie ihn als kleinen Jungen verlassen hatte. Die Dreiecksbeziehung seiner Tante, Mutter und ihm selbst spitzt sich immer mehr zu, vermag anfangs als ein wirkliches Happy End auszugehen, wird dann jedoch durch einen schweren Schicksalsschlag erschüttert, welcher Mimi und John wohl von allen am schlimmsten trifft…

Ich bin ja ein großer Fan von biographischen Filmen. Ich finde es immer unheimlich interessant, wenn eine bekannte Persönlichkeit und ihr wahres Leben auf der Leinwand präsentiert werden. Und ich war sehr angetan, als ich Nowhere Boy im Kino sah. Nowhere Boy ist lebhaft, amüsant, dynamisch, emotional, traurig und zu guter Letzt wie sooft schön mitanzusehen. Auch wenn es Hier und Da etwas mühseelig vorangeht und seine Zeit braucht, in Fahr zu kommen, handelt es sich bei Nowhere Boy um einen sehenswerten Film.

Der Film punktet vor allem mit seiner Komplexität seiner Figuren. Die Protagonisten John, sein Tante Mimi und seine Mutter Julia bringen so viel mit sich, dass der Zuschauer sehr interessant deren Verhalten und Verhältnis zueinander verfolgt. Die Dialoge sind oft sehr stark, übermitteln die Intentionen der handelnden Figuren gut und porträtieren deren Charaktere und Gemütszustände sehr überzeugend.

Auf weitere Filme mit Aaron Johnson freue ich mich ungemein, denn in Nowhere Boy hat er sein großes Schauspieltalent unter Beweis gestellt. Die Rolle des jungen John Lennon ist nicht leicht, sie ist umfangreich und sehr emotional, doch ebenso auch sehr selbstverliebt und paradoxerweise selbstsicher sowie im nächsten Moment wieder sehr verunsichert. Johnson muss einen jungen Menschen in seiner Findungsphase verkörpern, den Übergang vom Jugend- zum jungen Erwachsenenalter meistern. Das gelingt ihm mit Bravour, eine wirklich sehr gute schauspielerische Leistung.

Auch Kristin Scott Thomas und Anne-Marie Duff. in den Rollen der beiden Schwestern, Tante Mimi und John’s Mutter Julia, überzeugen auf ganzer Linie. Auch ihre Charaktere sind äußerst komplex, sie spielen ihre Rollen sehr überzeugend und emotional mitreißend. Man könnte ihre Figuren mit Yin und Yang vergleichen, sie haben zwar auf den ersten Blick die unterschiedlichsten Charaktereigenschaften, ziehen sich jedoch gegenseitig an und haben eine besondere geschwisterliche Beziehung zueinander. Und beide wollen nur das Beste für John. Ein guter Auftritt der beiden britischen Schauspielerinnen.

Die zwischenzeitlichen Musikeinlagen lockern die Stimmung immer wieder auf und es macht Spaß, dem jungen John Lennon und seinen Quarrymen beim musizieren zuzusehen. Und wenn dann noch die jugendlichen Abbilder von George Harrison (Sam Bell) oder Paul McCartney (Thomas Brodie-Sangster) dem ungestümen John Lennon und seiner Band beitreten, dann gefällt einem die Dynamik dieser überaus begabten, jungen Musikern sehr gut.

Generell kann man Regisseurin Taylor-Wood attestieren, dass sie sich sehr gut an die wahre Vorlage und Roman gehalten hat. Authentisch und glaubwürdig präsentiert sie ihren jugendlichen Hauptdarsteller. Die Schnitte und Kameraeinstellungen sind gut, die Musik kommt in einem Film über einen Musiker nicht zu kurz, ebenso wenig überlädt Talyor-Wood ihren Film mit zu vielen musikalischen Einlagen. Sie fand den perfekten Mittelweg und schuf eine interessante und sehr bewegende Geschichte über einen der wohl begnadesten und missverstandensten Musiker unserer Zeit.

Viel zu viele Menschen. Haben alle mitgespielt. Im güldenen Kleid: Regisseurin Taylor-Wood

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Fazit

Ein sehr sehenswerter Film. Man bekommt eine klassische Coming-Of-Age-Story zu sehen, welche dank komplexer Figuren, guten Dialogen und glaubhafter sowie realitätsnaher Inszenierung einen Kinobesuch bzw. Kauf einer DVD/Blu-ray lohnend macht. Vielleicht wirkt es ab und an etwas zäh und langatmig, doch relativieren die gut konstruierten Charaktere diesen Kritikpunkt. Denn kommt Nowhere Boy einmal ins Rollen, entwickelt er sich zu einem sehr dynamischen, emotionalen und bewegenden Film. Auf jeden Fall einen Blick wert.

Wertung:

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