Biutiful
Regisseur Alejandro González Iñárritu ist für die meisten wahrscheinlich ein eher unbekannter Name im Zusammenhang mit dem Filmgeschäft. Das liegt wohl an der Art seiner Filmprojekte. Der Mexikaner konnte jedoch schon mit einigen seiner Filme gerade auf internationaler Bühne punkten, exemplarisch hierfür sein vielgefeierter und oscarprämierter Film Amores Perros. Im Oktober 2010 präsentierte er dann sein neuestes Meisterwerk, welches man sich hier in Deutschland seit dem 31. März im Kino ansehen kann. Und das kann und eventuell sollte man durchaus auch machen. Biutiful ist ein trauriger und zugleich sehr schöner Film, der mit einer bewegenden Geschichte und einem Hauptdarsteller in Bestform aufwatet. Eine Empfehlung zu Biutiful.
Javier Bardem ist ein toller Schauspieler. Das ist nicht nur meine Meinung, ganz Hollywood, ach was, die ganze Filmwelt sieht das so. Bardem hat etwas raues, dieses wettergegerbte Gesicht, sein gezeichentes Äußeres, eine gewisse Härte, doch wiederum auch eine sehr gefühlsbetonte Seite. Gerade letzteres zeigte sich in seinen früheren Filmen, wo er für seine Darbietungen internationale Filmpreise en masse einsackte. Den meisten wird Javier Bardem seit seinem Auftritt in dem preisgekrönten Meisterwerk der Gebrüder Ethan und Joel Coen No Country For Old Men sein. Hier spielte er einen skrupelosen Killer, lieferte eine überragende Leistung ab und schockierte mit seinem Auftreten viele Zuschauer. Dieses Schockiertsein war aber eher Teil der großen Anerkennung und Respekts, welchen man Bardem für seine schauspielerische Leistung zollte.
In Biutiful spielt Javier Bardem die Hauptrolle und stellt uneingeschränkt den Mittelpunkt des gesamten Films dar. Sein Auftritt ist wieder einmal einzigartig, seine charakterliche Stärke kommt wieder einmal voll zum tragen, er spielt eine derartig tragische Figur so überzeugend, dass man nach dem Film guten Mutes den Kinosaal verlässt und einem dann erst selber bewusst wird, wie gut es einem eigentlich geht.
Doch wie immer erst zum Inhalt:
Uxbal (Javier Bardem) ist ein kleiner Gauner. Keiner, der irgendwelche Läden überfällt oder gar Menschen umbringt, auch wenn es ihm seinem Äußeren nach zutrauen würde. Er lebt zusammen mit seinen beiden Kindern Ana (Hanaa Bouchaib) und Mateo (Guillermo Estrella) in Barcelona und verdient sich seinen, und vor allem den für seine Kinder, Lebensunterhalt damit, kleine Deals einzufädeln, illegalen Emigranten Arbeit zu verschaffen, gegebenenfalls die Polizei zu schmieren oder sogar seine übernatürlichen Kräften einzusetzen, um mit Verstorbenen Kontakt aufzunehmen und Trauernden vielleicht eine kleine Hilfe zu sein. Es ist nicht einfach, doch mit Hilfe unzähliger Beziehungen kommt Uxbal gut über die Runden.
Sicherlich erhofft sich Uxbal für seinen Sohn Mateo und seine Tochter Ana ein besseres Leben, als dass er es selber gerade führt. Dafür verdient und spart er Geld. Er möchte unbedingt für seine Kinder da sein, er selbst weiß, wie es ist, ohne Vater aufzuwachsen, sein Vater musste aufgrund der Verfolgung unter dem Regime Francos nach Mexiko fliehen und war nie für Uxbal da. Uxbal macht ihm keinen Vorwurf, doch möchte er fest in der Erinnerung seiner Kinder verbleiben und ihnen ein besseres Leben ermöglichen.
Doch diesem langfristigen Plan kommt eine für Uxbal grauenhafte Diagnose dazwischen. Bei einer ärztlichen Untersuchung wird bei ihm Prostatakrebs in einem weit fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, Uxbal bleiben nur noch wenige Monate, dann stirbt er. Innerlich ist Uxbal ein Scherbenhaufen, doch weiß er auch, dass es nun an ihm ist, einige Dinge geradezurücken und seine Kinder auf die Zeit nach seinem Tod vorzubereiten, auch wenn er sie nicht in sein schreckliches Schicksal einweihen möchte.
So beginnt Uxbal reinen Tisch zu machen, Fehler zu beseitigen, einer senegalischen Emigrantin und Mutter zu helfen, deren Mann zwangsabgeschoben wurde, sich vielleicht mit seiner getrennt von ihm lebenden Ehefrau (Maricel Álvarez) zu versöhnen, welche aufgrund von Drogenproblemen in Uxbals Missgunst fiel und seinem Sohn und seiner Tochter die letzten Wochen seines Lebens zu zeigen, dass ihr Vater immer für sie da war und sein wird, auch wenn er schon lange tot ist...
Es gibt nicht wirklich ein Happy End in diesem Film. Irgendwie läuft am Ende der Abspann von Biutiful und man sitzt da und es geistern einem einige lebensphilosphische Fragen durch den Kopf. Für mich war Biutiful ein Film, der nicht wirklich eine Botschaft vermitteln, sondern einfach nur etwas zeigen wollte. Es sollte einfach nur das Leben gezeigt werden. Und das war sehr emotional, mitreißend und nachhaltig.
Javier Bardem muss man ein großes Kompliment machen, seine Oscarnominerung als bester Hauptdarsteller 2011 ist absolut gerechtfertigt, er spielt einfach brilliant. Er übermittelt die Tiefe seiner Rolle, er lässt den Zuschauer Mitgefühl entwickeln, er spielt seine tragische Figur unheimlich glaubwürdig und lässt den Beobachter glauben, er sei selbst ganz nah an Uxbal dran. Wenn man dann da sitzt und es diesem Uxbal einfach wünscht, ihm möge doch endlich etwas Gutes zustoßen, dann liegt das nicht nur an der ausgezeichneten Charakterzeichnung der Drehbuchautoren, sondern ebenso an Javier Bardems fantastischer schauspielerischer Leistung.
Regisseur Iñárritu (21 Gramm, Babel) hat es geschafft, eine unfassbar bedrückende und unangenehme Welt zu schaffen, welche einfach Unwohlsein hervorruft. Es ist dunkel, dreckig, es hängt Schimmel an den Wänden und an der Decke, es ist einfach nicht schön, was man da zu sehen bekommt. Doch dann gibt es wieder diese Momente, in denen man kurz einen vermeintlich glücklichen Uxbal sieht, der sich am Leben seiner beiden Kindern erfreut, welche sein Ein und Alles sind. Dann fühlt man sich als Zuschauer gleich wieder besser, doch macht sich dann schon wieder schnell der Gedanke in einem breit, dass der arme Uxbal seine Kinder auch bald schon wieder alleine lassen und sterben wird.
Diese emotionale Achterbahnfahrt, welche nicht rasant ist sondern eher die Auf und Abs dieses Film beschreibt, schaffen eine sehr starke emotionale Bindung des Zuschauers zum Protagonisten. Hinzukommen die aussagekräftigen Bilder, welche man zu Gesicht bekommt, sei es eine Nahaufnahme Uxbals und seinem emotions- und kraftlosen Blickes oder das verdreckte Viertel Barcelonas, fernab der schönen Stadtteile der katalonischen Hauptstadt. Diese Nähe zum Film, der Umgebung und zu den Darstellern ist einzigartig und macht Biutiful zu einem sehr dramatischen und schönen Film, der auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so schön erscheint, doch sich zum Ende dorthin entwickelt und vielen Kinobesuchern ein eher gutes als schlechtes Gefühl gibt.
Generell konnte man im Vorfeld zu Biutiful lesen, dass dieser Film nichts für Menschen ist, deren Psyche nicht all zu stark sei. Dadurch kam Biutiful zu dem Ruf, dass der Film nicht einfach und an manchen Stellen sogar nur schwer zu ertragen sei. Grund dafür sind keinesfalls extreme Schockmomente, sondern eher bildgewaltiges Elend, was einen definitiv Unbehagen bescheren kann. Doch möchte ich an dieser Stelle Biutiful gerne etwas entschärfen. Natürlich ist es oft nicht leicht, dem am Boden zerstörten Uxbal in seinem Leben und bei seinem Tagwerk zu beobachten, jedoch kann man auch viel schönes aus diesem dramatischen Film mitnehmen. Auch wenn es nur die kleinen Momente sind, in denen sein Sohn Mateo ein Witz erzählt und sich Uxbals düstere Miene kurzzeitug erhellt und dieser über beide Ohren strahlt. Biutiful zeigt unverblümt, wie schrecklich ein Leben wie es Uxbal führt sein kann, doch zeigt er einen ebenso, dass es auch in dem schrecklichsten Leben schöne Momente geben kann.
Regisseur Alejandro González Iñárritu (l.) zusammen mit Javier Bardem
Iñárritu hat einen sehr speziellen Film gedreht, der wieder einmal zeigt, dass der mexikanische Regisseur es liebt, Geschichten zu erzählen. Auch hier braucht er gut 2 ½ Stunden, was einige abschreckt und viele gestört hat, denn es ist kein Geheimnis, dass sich in diesen 2 ½ Stunden einge Szenen sehr zäh hinziehen. Doch Iñárritu hat dies natürlich so beabsichtigt, wollte diese Leidengeschichte so ausführlich darstellen, um dem Zuschauer Uxbal und sein tragisches Schicksal noch näher zu bringen. Mir gefiel diese Art und Weise des Filmemachens sehr gut, es ist mal etwas anderes und besonderes. Und damit kann man bei mir immer punkten.
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Fazit
Biutiful ist ein Film den ich jeden empfehlen kann, der mal wieder etwas ruhiges und sehr emotionales im Kino sehen möchte. Man muss nicht gleich losheulen, doch stimmt dieser Film einen sehr nachdenklich und berührt einen auf eine einzigartige Art und Weise. Es ist ein spezieller Film, der es hier in Deutschland nicht einfach hat und es vermutlich nur Dank Oscarnominerung für Javier Bardem in unsere Lichtspielhäuser geschafft hat. Dieser Bardem spielt in Biutful fabelhaft, lässt einen hoffen, bangen und mitfühlen. Biutfiul ist ein schöner Film, der einem etwas da lässt, etwas, was man schwer in Worte fassen kann. Ein Film, der oft nicht mehr sagt als er muss und der oft nur durch Bilder übermittelt. Wirklich: Ein schöner Film.
Wertung:
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Trailer
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