Unknown Identity
Der Spanier Jaume Collet-Serra präsentierte der deutschen Filmlandschaft zum Ende der 61. Berlinale seinen neuesten Film Unknown Identity und fand ordentlich Anklang bei seinem Publikum. Ein sehenswerter Cast und eine durchdachte Geschichte zeichnen den irreführenden Action-Thriller aus und bescheren Regisseur sowie Darsteller reichlich gute Kritiken. Trotzdem fehlt etwas. So erging es zumindest mir. Meine Meinung zu Unknown Identity.
Liam Neeson wird auf seine alten Tage noch zu einem richtigen Action-Held. Es ist ja nichts neues, dass der charmante Ire in der Welt der Filme ein hochgeschätzter Schauspieler ist. Er hat sich in Laufe seiner Karriere zu einem sehr facettenreichen Darsteller entwickelt, was ihm wiederum die unterschiedlichsten Rollen und viel Lob eingebracht hat. Die jungen Filmfans wird er wohl als Qui-Gon Jinn aus Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung bekannt sein. Oder als Ra's al Ghul in Batman Begins, der erste Teil Christopher Nolans neuaufgelegter Batman-Saga. Doch darf man auch nicht frühere Auftritte Neesons unter den Tisch fallen lassen, erinnert man sich zum Beispiel an dessen Darbietung in Steven Spielbergs herausragenden Film Schindlers Liste.
Doch die meisten verbinden Liam Neeson neuerdings mit dem Revenge-Actioner 96 Hours. Dieser avanciert allmählich zum Kultfilm, Neeson meuchelt sich gnadenlos durch Paris und hinterlässt auf der Suche nach seiner entführten Tochter ein blutiges Schlachfeld. 96 Hours ist klasse und ein endgültiges Indiz dafür, dass Liam Neeson auch gehörig austeilen kann. In Unknown Identity spielt er erneut eine Rolle, die einiges an Härte und Konsequenz von ihm abverlangt. Viele hofften auf ein erneutes Kick-ass-Spektakel á la 96 Hours. Ehrlich zugegeben ich auch. Und nach Unknown Identity war ich auch nicht enttäuscht, ich war aber ebenso auch nicht zufriedengestellt. Vielleicht waren es meine nicht allzu niedrigen Erwartungen an Film und Darsteller. Aber irgendwie hat mir in diesem Film etwas gefehlt. Irgendwie war es nicht der Reißer, den manch einer mir versprochen hatte.
Doch bevor es mir meiner Kritik weitergeht wie immer kurz etwas zum Inhalt:
Martin Harris (Liam Neeson), entschuldigung, Dr. Martin Harris, hat eigentlich ein wirklich tolles Leben. Er hat eine wunderschöne Ehefrau (January Jones), ist ein anerkannter Wissenschaftler und äußerst angesehen im Fachbereich der Biologie. Aus diesem Grund besucht er mit seiner Frau zusammen das kalte Berlin, die verregnte Hauptstadt Deutschlands und zugleich Austragungsort eines Kongresses, wo sich einige renommierte Biologen und Fachleute treffen, darunter der Nobelpreisträger Proffesor Bressler (Sebastian Koch), um über deren Fachgebiet der Pflanzenforschung zu plaudern. Harris soll jenen Prof. Bressler treffen, damit sie gemeinsam an ihrem bahnbrechenden Projekt (Psst, streng geheim.) weiterarbeiten können.
Doch es kommt zu einem Zwischenfall, der das gesamte Leben von Dr. Martin Harris komplett auf den Kopf stellt. Als er gerade mit einem Taxi unterwegs ist, um seinen verlorengegangen Koffer am Berliner Flughafen (gedreht wurde ironischerweise am Flughafen Leipzig/Halle) zu suchen, kommt es zu einem folgenschweren Unfall, das Taxi stürzt von einer Brücke und in die Spree, droht langsam unterzugehen und Martin Harris ist aufgrund seiner Ohnmacht nicht in der Lage, sich zu befreien. Zum Glück rettet in seine junge Taxifahrerin (Diane Kruger), welche nach vollbrachter Tat aber schleunigst das Weite sucht. Harris kommt in die Obhut der gerdade eingetroffenen Sanitäter und wacht kurze Zeit später in einem Krankenhaus auf.
Hier wird versucht, dessen Identität zu ermitteln, es wurden keine Papiere bei ihm gefunden und niemand weiß wirklich, wer der neue Patient eigentlich ist. Langsam erinnert sich dieser, auch wenn es im überaus schwerfällt, durch den Unfall hat er einiges abbekommen und leidet an starken Gedächtnisverlust. Durch Aufnahmen des Biologenkongresses, welche er im Fernsehen sieht wird Martin Harris wieder bewusst, dass er sich nun dort benfinden sollte, dass seine Frau sich dort mit Sicherheit aufhalten wird und dass sein guter Freund Prof. Bressler auf ihn wartet. Harris macht sich also trotz Widerworte des behandelnden Arztes (Karl Markovics) auf den Weg zu jenem Kongress.
Dort angekommen glaubt Harris seinen eigenen Augen und Ohren nicht. Seine geliebte Ehefrau erkennt ihn nicht mehr, er ist wie ein Fremder für sie, als hätte sie ihn noch nie in ihrem Leben gesehen. Und urplötzlich taucht ihr eigentlicher Ehemann auf, Dr. Martin Harris ("The other Martin Harris" Aiden Quinn). Wie jetzt? Ja genau, der echte Dr. Martin Harris. Der verwirrte Martin Harris beteuert, dass er der echte Doktor und Biologe sei und jener Mann, welcher gerade händchenhaltend mit seiner Frau vor ihm steht, ein Hochstapler und gemeiner Lügner sei. Der andere Martin Harris kann sich im Gegensatz zu dem Gebeutelten jedoch ausweisen und so wird Martin Harris, also der, welcher den Unfall hatte, vor die Tür gesetzt und begibt sich erneut ins Krankenhaus.
Verdammt, was ist hier nur los? Er ist doch Martin Harris. Oder? Sind die gesundheitlichen Schäden seines Unfalls doch drastischer als vermutet? Wer ist der Typ, der mit seiner Frau rummacht? Das kann nicht Martin Harris sein, er ist doch Martin Harris! Es gibt also einige offene Fragen zu klären. Und das erledigt Harris am besten eigenständig. So macht er sich auf die Suche nach seiner eigenen Identität, versucht, die Fahrerin des Unglückstaxis ausfindig zu machen, erhält Hilfe durch einen alteingesessenen Stasi-Spitzel (Bruno Ganz) und kommt langsam einem düsteren Geheimnis um seine Persönlichkeit auf die Spur...
Unknown Identity erhielt oft das Prädikat "In bester Hitchcock-Manier". Spannend, immer wieder neue Wendungen, neue Erkenntnisse, Nervenkitzel und Adrenalinschock mit eingeschlossen. Und das stimmt größtenteils auch, Unknown Identity ist wirklich spannend und nervenaufreibend, doch irgendwie reicht es für mich persönlich nicht aus. Es gibt Momente, wo man kurzeitig sehr gespannt das intensive Geschehen auf der Leinwand verfolgt. Doch das Gefühl, vor Spannung und buchstäblich in der Luft liegender Elektrizität in den Kinosessel gepresst zu werden, das war bei mir nicht vorhanden.
Der Film macht eigentlich nicht viel falsch. Es ist interessante Story (nach dem Besteller Hors de moi aus dem Jahre 2003 von Didier van Cauwelaert) mit einem tollen Twist (zugegeben der Punkt, durch den Film für mich noch einmal ordentlich zugelegt hat) mit guten schauspielerischen Leistungen, mit einer guten Idee. Man erkennt schnell die Absicht des Regisseurs, der Zuschauer soll am besten so wenig wie möglich wissen, gerade mal soviel, wie der Protagonist selbst, wenn nicht sogar weniger. Dadurch wird man aufgefordet, nachzudenken, selbst die Puzzleteilchen zusammenzufügen, eigene Theorien aufzustellen. Und am Ende wird man dann doch arg überrascht, da gerade dieser Twist in Unknown Identity, welcher wortwörlich alles verdreht was man bis zu diesem Zeitpunkt wusste und jede selbstaufgestellte Theorie nichtig macht, unglaublich gut ist. Doch, das hat Regisseur Collet-Serra echt gut gemacht, da muss man ihn für loben. Ich werde mich hüten, Einzelheiten zum besagten Twist preiszugeben, obwohl es schon längst offensichtlich erscheint und den Kohl nicht mehr fett machen würde, wenn ich es doch niederschreibe, da man sich innerhalb weniger Sekunden über diese überraschende Wendung im Film via Internet und Google selbst informieren kann. Trotzdem, kein Wort von mir.
Liam Neeson darft auch hier austeilen, jedoch nicht so expliziert wie in 96 Hours. Er spielt seinen verwirrten Charakter echt gut und die Momente, in denen mal so richtig den Hammer schwingt, nimmt man ihm absolut ab. Dieser konsequente Blick in seine Augen, bereit alles zu tun, um seine Identität zurückzugewinnen ist einfach glaubwürdig. Zudem zehrt er nunmal von seiner Rolle in 96 Hours, ein jeder weiß seitdem, dass Liam Neeson echt derbe drauf sein und ordentlich Backenfutter verteilen kann.
Neben ihm bekommt man wie in so vielen Produktion mit deutscher Beteiligung (Studio Babelsberg AG) Diana Kruger in der Rolle der Taxifahrerin Gina zu sehen. Überraschenderweise gefiel sie mir in dieser Rolle mit leicht slawischen Akzent recht gut. Normalerweise halte ich von dieser Frau nicht wirklich viel, ihre Auftritte finde ich zumeist äußerst fad und lahm. Doch hier ordnet sie sich genauso unter, wie es von ihr verlangt wurde. Eine grundsoldie Performance.
Bruno Ganz weiß ich sehr zu schätzen. Als Adolf Hitler in Der Untergang hat er eine Duftmarke gesetzt, welche seiner Karriere auf Ewig anhaften wird. Das darf aber auf keinen Fall negativ verstanden werden. Nichtsdestotrotz lebt er von dieser Rolle, der Zuschauer sagt eher " Das ist doch der, der Adolf Hitler gespielt hat." als "Das ist doch der Bruno Ganz." In Unknown Identity hat er mir gut gefallen, ich hätte mir sogar etwas mehr Screentime für ihn gewünscht. Er spielt einen nostalgischen Ex-Angestellten des ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit und wirkt hierbei sehr nahbar und authentisch. Ein alter Hase, der noch so einiges auf dem Kasten hat. Fand ich persönlich gut.
Weiterhin war es wirklich mal schön eine derartig amerikanisierte Produktion zu sehen, die in Berlin spielt. Paris ist ja so oft der Ort des Geschehens. Oder New York. Das ist nichts mehr neues, tausend Mal gesehen, Charme hin Charme her. Als zugezogener Berliner fühlte ich mich doch recht oft an den einen oder anderen Ort erinnert, seien es versiffte U-Bahn-Stationen oder die prächtige Flaniermeile Unter den Linden nebst Nobelhotel Adlon. Das war sehr angenehm und offenbarte ein Blick ins Innerste vieler Franzosen und Amerikaner, wenn sie sich wieder einmal ihr Paris oder ihr New York ansehen müssen. Obwohl es sie wohl weniger stört, denn es handelt sich dabei um ihre Stadt, sie erkennen auch hier einige Ecken wieder, so, wie es als Berliner der Fall ist, wenn man sich Unknown Identity ansieht.
Trotz alledem, mir fehlte etwas. Nur was? War es noch ein Zacken mehr Hochspannung? Mehr Rustikalitäten? Vielleicht der etwas tiefere Blick in handelnde Personen und das allgemeine Geschehen? Unknown Identity wirkte für mich zum Ende hin recht einfach, da man alles mit einer Prämisse (Besagter Twist, erneut schweige ich wie ein Grab) hat erklären können. Außerdem hatte ich oft das Gefühl, der Regisseur wollte nicht mehr zeigen, wollte nicht mehr erklären. Das ist auch nicht verkehrt, der Zuschauer soll selbst ermitteln, sich seine eigene Gedanken machen. Doch ebenso kann man ihn kurz an die Hand nehmen, noch mehr Informationen streuen und nicht nur einzelne Aspekte anreißen. Das man das nicht getan hat, hilft mit Sicherheit der Spannung, doch ich persönlich hätte mit einem etwas größeren Umfang kein Problem gehabt.
Nicht falsch verstehen. Der Film hat eine Laufzeit von gut 2 Stunden. Und im Nachhinein frage ich mich, wie er das geschafft hat. Er fühlt sich wie ein 90minütiges Filmerlebenis an. Und das sagt mir wiederum, dass es einige Szenen gab, welche mir in meinen Augen eher belanglos erschienen, welche problemlos fehlen und wiederum durch vielleicht nachhaltigere und markantere Szenen hätte ersetzt werden können. Aus diesem Grund konnte ich auch den Rummel einiger meiner Freunde nicht nachvollziehen. Ja, Unknown Identity war gut, aber für mich war das kein "Mein lieber Scholli!"-Film, der mich einfach aufgrund seiner Intensität und Spannung aus den Latschen haut. Dafür fehlte mir etwas.
v.l.n.r. Karl Markovics, Sebastian Koch, Diane Kruger und Regisseur Jaume Collet-Serra
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Fazit
Unknown Identity ist ein solider Action-Thriller den man sich bedenkenlos anschauen kann. Der größte Pluspunkt ist die Idee und das Konzept des Regisseurs Collet-Serra und seinen Schreiberlingen, Liam Neeson spielt seine Hauptrolle sehr überzeugend und authentisch, die Nebendarsteller spielen gut, fallen zwar nicht auf, passen mit ihren Auftritten jedoch sehr gut zu dieser rätselhaften Story. Nach meinem Befinden reicht es aber nicht aus, um mit einem spannungsgeladenen Streifen Hitchcocks mitzuhalten. Etwas mehr Extreme und mehr Wow-Momente hätten dem Film gut getan und viele Zuschauer weitaus intensiver gefesselt. So verlässt der ein oder andere das Kino und fühlte sich durch diesen Film wie ich gut unterhalten. Mehr nicht. Trotzdem kann man sich Unknown Identity ansehen. Wie man sich dann zu diesem Streifen positioniert ist jedem selbst überlassen.
Wertung:
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