Samstag, 2. April 2011

Römer; kräftig; 1,85m; dunkles Haar; grüne Augen sucht ...

Review

Der Adler der Neunten Legion

Ja was sucht er denn? Regisseur Kevin Macdonald versuchte sich an einer Filmadaptation des gleichnamigen Buches The Eagle of the Ninth von Rosemary Sutcliff und hoffte mit Der Adler der Neunten Legion einen Historienfilm auf die Leinwand zu bringen, der sich von all den anderen unterscheidet und im besten Fall sämtliche Kritiker überzeugen sollte. Dazu nehme man einen der zurzeit am meisten von unzähligen Teenies umschwärmten Hollywood-Newcomern Channing Tatum (liegt wohl an Step up...), den wohl immer noch von seiner Rolle als Billy Elliot zehrende Jamie Bell, eine recht durchwachsene, extrem pathetische und patriotische Story und fertig ist der Epos. Nicht wirklich.

Dienstag ist gleich Kinotag. Zumindest ist das so im örtlichen Kino meiner Heimatstadt. Ein Fünfer und du bist dabei. Wenn dann noch Langeweile dazukommt, findet man sich schnell in einem wohl eher weniger passablen und phasenweise echt ermüdenden Film wieder. So ähnlich hat es sich wohl zugetragen, als ich mir einen guten Kumpel schnappte und wir schnurstracks in Der Adler der Neunten Legion marschierten, nichts ahnend und am Ende eher belustigt als enttäuscht.

Ganz unwissend bin ich natürlich nicht in den Kinosaal gegangen. Ich habe ein kleines Faible für Historienfilme. Daran ist wohl Gladiator schuld, einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Als ich das erste Mal Troja sah, war ich komplett von den Socken, obwohl ich den Film heute weitaus differenzierter betrachte. Mit 13 war Troja aber fantastisch. Nicht so fantastisch wie Gladiator, aber trotzdem toll. Oder man nehme Braveheart. Fand ich auch sehr gut. Kurz nach Troja fingen viele Produzenten in Hollywood an, sich mit historischen Themen zu befassen. Alexander und Königreich der Himmel waren das Ergebnis, welche ich persönlich eher für durchwachsen hielt, wobei mir letzterer noch am besten gefiel. Das letzte große Historienepos war wohl Ridley Scotts Neuverfilmung Robin Hood. Da hab ich mich gefreut. Mal wieder Russell Crowe, auch einer meiner Lieblingsschauspieler, mal wieder in einem Historienfilm. Kommt da ein zweiter Gladiator? Die Kritiken waren eher mau, mir hatte Robin Hood gefallen, obwohl leider nichts Weltbewegendes bei herumkam. Es folgten Versuche á la Centurion, Black Death und Der letzte Tempelritter. Der allgemeine Tenor: Keine wirklichen Reißer, eher schlecht als recht.

Filmemacher, die versuchen, historische Begebenheiten, überlieferte Legenden oder Geschichten über altehrwürdige Helden der Historie zu verfilmen, haben’s auch nicht leicht. Die Ansprüche für ein gelungenes Historienspektakel sind verdammt hoch. Die Authentizität spielt eine gewichtige Rolle, der Rahmen, der historische Bezug, Realitätsnähe, Glaubwürdigkeit. Wenn ich mir einen Historienfilm anschaue, dann muss einfach alles passen. Das größte Problem für solche Filme ist wohl, dass sie immer sehr schnell gefühlsduselig werden. Patriotisch, reichlich Pathos, Geblubber von Ehre und Stolz. Damit kann ich mich durchaus anfreunden, doch hängt auch hier wieder viel mit der Inszenierung durch den Regisseur und dem gesetzten Rahmen zusammen.

Wie man sieht, kein einfaches Genre. Der Adler der Neunten Legion ist ein Versuch, all diesen Kriterien gerecht zu werden. Teilweise gelingt es, gewisse Aspekte der vorher genannten aufzugreifen, doch insgesamt hapert es an viel zu vielen Stellen. Wie immer kurz zum Inhalt:

Marcus Aquila (Channing Tatum) ist ein stolzer Römer. Wie scheinbar jeder anderen Römer zur Zeit der großen Ceasaren auch. Aquila ist Herrführer in der römischen Armee und macht sich dabei gar nicht schlecht. Nach einer Weile wird auf eigenen Wunsch ins düstere Britannien versetzt, hier kämpfen die römischen Legionen gegen diverse unzivilisierte britische Stämme und erobern Stück für Stück neues Land, das römische Imperium muss ja weiter wachsen. Das klappt auch ganz gut, zumindest bis zum Hadrianswall. Dahinter erstrecken sich die unüberschaubaren Highlands Großbritanniens, dort, wo sich die wahrlich grauenhaften Wilden verstecken und auf eine Art Guerilla-Krieg die römischen Invasoren bekämpfen. Und dort ist auch die berühmte Neunte Legion, 5000 Mann stark, spurlos verschwunden. Und mit ihr das Prestigesymbol Roms, die heilige Standarte, der goldene Adler.

Und jetzt kommt’s richtig dicke. Marcus Aquila hat sich ja wie bereits geschrieben freiwillig für den Einsatz im verregneten Britannien gemeldet. Eigentlich will da keiner hin. Entweder man stirbt dort durch die Hand eines wilden britischen Barbaren oder an einer Lungenentzündung. Doch Aquila hat ein Ziel vor seinen Augen. Sein Vater, Marcus Aquila Senior, war nämlich der Heerführer jener Neunten Legion, welche doch im nass-feuchten Hochland Britanniens mitsamt dem goldenen Adler verschollen ging. Seitdem haftet ein ganzer Haufen Schande an dem Namen der Aquilas. Sohnemann Marcus Aquila Jr. möchte also zum einen den goldenen Adler finden und somit den ehrenhaften Namen seines Vaters wieder reinwaschen, immerhin war er vor dem Verschwinden seiner Legion und der Standarte ein angesehener Befehlshaber des römischen Reiches. Außerdem drängt Aquila Jr. darauf zu erfahren, was den wirklich mit seinem Vater geschehen ist. Es geht also auch, oh Wunder, um etwas persönliches.

In Britannien angekommen findet sich Aquila schneller als gedacht auf dem Krankenbett wieder. Auch wenn er mit einer schier unfassbar heldenhaften Aktionen den Männern unter seiner Führung das Leben rettete, er selbst verletzte sich dabei schwer und wird nun aus dem Militärdienst des römischen Imperiums entlassen. Ein Schlag ins Gesicht für den designierten Centurio, schwer zu ertragen und wieder einmal eine Schande für das Geschlecht der Aquilas. Er kommt vorerst bei seinem Onkel (Donald Sutherland) unter, dieser hat ein schmuckes Anwesen weit im Süden der britischen Insel. Hier rettet er bei einem Gladiatorenkampf dem angelsächsischen Sklaven Esca (Jamie Bell) das Leben, worauf dieser ihm auf Ewig sein Leben schuldig ist und sich Aquila verpflichtet fühlt. Auch wenn es Esca schwerfällt, immerhin verabscheut er die Römer zutiefst.

Urplötzlich streift die Kunde durch’s Land, der goldene Adler wäre gesehen worden, weit über den Hadrianswall hinaus. Und da wo der Adler ist, kann die Neunte Legion nicht weit sein. Beziehungsweise deren Überreste. Also, packt die Badehose ein, Marcus Aquila muss kein Soldat des römischen Reiches sein, um dem Verschwinden seines Vater, dessen Legion und Adlers auf die Spur zu kommen. Sklave Esca soll ihn auf dieser gefährlichen Reise begleiten, er kennt sich nun mal in dem Land, wo er geboren wurde am besten aus. Los geht die rasante Reiterei gen Norden, durch die hohen Tore des Hadrianswalls hindurch, hinaus in die hügelige, kalte Welt der wilden Stämme Britanniens auf der Suche nach Antworten auf das Verschwinden Marcus Aquila Seniors und dem symbolträchtigen goldenen Adler der Neunten Legion…

Irgendwie war’s doch etwas anstrengend. Ich wollte dem Film eine faire Chance geben, ich bezahl ja kein Geld dafür, dass ich mich ins Kino setze und gleich laut rumposaune, dass der Film den man gleich sehen wird, superschlecht ist. Ich wollte Der Adler der Neunten Legion wirklich eine faire Chance geben. Die Kritiken waren mäßig, zu viel Pathos, zu viel Geschwafel über Ehre und Stolz, zu viel Testosteron. Und im Endeffekt muss ich diesen Kritiken auch Recht geben. Ich habe versucht, dem Film eine faire Chance zu geben. Versucht hab ich's.

Zu allererst aber was Gutes: Das Setting. Das war durchaus gelungen. Diesen unangenehmen, sich ins Endlose ziehende Hügellandschaften Großbritanniens, das hat echt gut gepasst und ließ sich nicht schlecht ansehen. Auch wenn man meiner Meinung nach an manchen Stellen nicht so schnell den Schnitt hätte machen müssen und gerne länger auf diverse landschaftliche Erscheinung draufhalten hätte können. Ähnlich gut war die Ausstattung der Akteure. Das sah schon alles nicht schlecht aus, authentische Römer, zerlumpte Briten.

Bei den sogenannten Seals, dem „Seehund-Clan“, ging man dann aber einen Schritt zu weit, hier bekam man emotionslose Dschungelkämpfer zu sehen, welche man wahrscheinlich in irgendwelchen subtropischen Wäldern eher antreffen würde. Vielleicht sahen die in Wirklichkeit genauso aus, aber das passte nicht wirklich zum Gesamtbild. Da hätte ich mir lieber behaarte Zottel á la Gallier gewünscht, kräftig Bärtige, mit Äxten bewaffnet. Klischeehaft, aber mir persönlich angenehmer.

Generell geht die Inszenierung von Regisseur Macdonald eigentlich in Ordnung, wurde er nicht so sehr den ganzen Vorurteilen bezüglich Historienfilmen verfallen. Hierbei spielt dieses immer wiederkehrende Dogma der Ehre und des Stolzes eine ganz große Rolle. Wann immer es möglich ist, erinnert man den Zuschauer daran, wie wichtig dieser verfluchte goldene Adler sei, das sich das Leben eines Römers nur über seine Ehre definiert und das er alles dafür tun muss, seinen Stolz zu bewahren. Ist doch gut, wir haben’s verstanden. Adler wichtig, Ehre wichtig, Stolz wichtig. Rest uninteressant. Dadurch macht sich Macdonald selbst wieder alles zu nichte, was er sich wohl für seinen Film vorgenommen hatte.

Mag ja sein, dass die echten Römer vor zigtausenden Jahren dieses Leitbild verfolgten. Aber dann muss man es doch auch nicht im Minutentakt immer wieder aufgreifen. Als wäre der Kinobesucher die hohlste Birne seit Menschengedenken und müsste permanent daran erinnert werden, dass dieser goldschimmernde Adler, der da, den wir jetzt 20 Mal in einer Nahaufnahme gesehen haben, das wohl wichtigste auf dieser Welt für den Protagonisten ist.

Apropos Protagonist. Channing Tatum mimt Marcus Aquila Jr., wobei die Prämisse „Nicht Fisch, nicht Fleisch“ perfekt passt. Er ist irgendwie der Hauptcharakter, er ist auch vielleicht ein -, zweimal echt cool und überzeugend, aber genauso wirkt sein Auftreten im nächsten Moment und in bestimmten Phasen lächerlich. Blauäugig und naiv sind hier wohl passende Attribute. Doch Moment. Intention des Regisseurs? Wollte Macdonald das Tatum sich so anstellt? Selbst wenn, gut war die Idee nicht. Es passt einfach nicht, der Zugang zu Tatum’s Rolle fehlt größtenteils, man fühlt wenig mit und kann sich schwer bis überhaupt nicht mit ihm identifizieren.

Jamie Bell war in und als Billy Elliot super. In Der Adler der Neunten Legion nimmt er sich an seinem Kollegen Tatum ein Beispiel und spielt den Stiefel äußerst lax herunter. Auch wenn man versucht, mit emotionalen Ausbrüchen die Zuschauer etwas zu fesseln, irgendwie muss man doch auch glaubwürdig sein. Bell spielt seine Rolle des aufrührerischen Sklaven Esca so nach dem Motto „Hey, blöder Römer, ich mag dich nicht. Du bist doof., aber irgendwie in Ordnung. Ich begleite dich. Später werde ich dich hintergehen. Danach werde ich dir wieder zur Seite stehen. Und dann werden wir wieder beste Freunde sein.“ Ach komm schon.

Dann nehme man noch zwei erfahrene Schauspieler Hollywoods hinzu, weil sich das ja auf dem Plakat und in Überschriften so schön liest. Donald Sutherland und Mark Strong durften ebenfalls ein bisschen mitmischen. Ersterer als patriarchisch weiser Onkel Aquila, der immer einen gescheiten Ratschlag auf den Lippen hat. Mark Strong hingegen bekommt man bei seinem ersten Auftritt erst gar nicht richtig mit. Das liegt zum einen an einem verfranzten Vollbart und schulterlangen Haaren, zum anderen, weil seine Rolle völlig belanglos erscheint. Er spielt ausnahmsweise nicht den Oberfiesling (Scherlock Holmes, Robin Hood), sondern ein altehrwürdigen Soldaten der verschollenen Neunten Legion. Ganz ehrlich, die Rolle hätte auch der Tonmann übernehmen können. Am Ende soll man dann noch den Tod Strongs seiner Figur betrauern, geht aber schlecht, da man eh keine emotionale Bindung zu dieser aufgebaut hat. Wieder doof.

Im Zusammenhang mit Der Adler der Neunten Legion konnte man im Vorfeld oft lesen, dass es einem vorkommt, als hatte irgendjemand ein paar Amerikaner in Rüstungen römischer Soldaten gesteckt, sie aufmarschieren lassen und dann das römische Imperium zu vergrößern. Stimmt. Auch wenn es hier und da sehr real wirkt, unter absolut authentisch verstehe ich etwas anderes. Man bekommt gut zwei Stunden einen viel zu langen „Road-Trip“ der beiden Protagonisten Tatum aka Aquilla und Bell aka Esca zu sehen, sie laufen hier, sie reiten da, hoppla, auf einmal müssen sie kurz kämpfen, dann wandern sie gemütlich durch die britische Pampa, alles irgendwie so nebenbei, ohne Überzeugung. Da fängt man auch mal an sich zu langweilen.

Regisseur Kevin Macdonald (2.v.r.) post was das Zeug hält

Das Ende ist des Filmes ist dann einfach nur noch mit Kopfschütteln und leisen Fluchen zu ertragen, sehr offensichtlich, pathetisch und auf eine schlechte Weise urkomisch. Man verlässt das Kino, schaut den Kumpel an und sagt zu ihm: „Ok, seien wir ehrlich, wir haben ja eh nicht viel erwartet. Und zum Glück war das Ticket auch nicht so teuer.“ Das ist schon bitter. Für den Film und für einen selbst.

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Fazit

Absolut kein Muss. Als Fan von Historienfilmen wollte ich mir Der Adler der Neunten Legion geben, wohlwissend, dass hier kein neuer Gladiator auf mich wartet. Weit weniger als das. Unspektakulär, langweilig, vor patriotisch-pathetischen Schmalz triefend und verdammt belanglos. Auch wenn man manche Szene als kleinen Wachmacher zu schätzen weiß, insgesamt kommt bei diesem Film nicht viel rum, nicht einmal die Zeit. Regisseur Macdonald hat sich wohl zu viel vorgenommen, einzigartig wollte man sein. Die Darsteller überzeugen kaum bis überhaupt nicht, doch sie allein haben den Karren nicht gegen die Wand gefahren. Zu den großen Minuspunkten gesellen sich diverse Kleinigkeiten, welche das voranschreitender Zeit immer uninteressanter wird. Wann dürfen wir uns wieder auf ein gelungenes Historienspektakel freuen, wer traut sich als nächstes in den Ring? Der Adler der Neunten Legion kann man sich getrost schenken. Da schau ich mir lieber zum aber tausendsten Mal Russell Crowe als Maximus an.

Wertung:

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Trailer



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