Montag, 4. April 2011

Johnny Depp als CGI-Chamäleon – Und es funktioniert!

Review

Rango

Animationsfilme haben ja im Allgemeinen den Ruf, eher was für die lieben Kleinen zu sein. Ob Dingeldong geht auf große Reise, Die verrückten Abenteuer des Strubbelputz oder Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen (Moment, den gibt’s ja wirklich), Animiertes lässt Kinderherzen höher schlagen. Es wird viel gelacht, oft wird‘s albern, meistens gibt’s noch eine Prise Romantik dazu, alle freundlich, alle freuen sich. Nicht so Rango. Auch hier wird oft gelacht, doch Gore Verbinskis neuester Streich schlägt in eine andere Kerbe der Animationsfilme, welche versuchen, sich phasenweise von den altbekannten animierten Filmkollegium zu distanzieren. Und hört hört: Bei Rango klappt das außerordentlich gut.

Natürlich werden in Rango auch unzählige Gags gezündet, natürlich gibt es Momente, in denen alles urkomisch und albern wirkt. Doch trotzdem unterscheidet sich Rango deutlich von anderen Filmen wie zum Beispiel Megamind, Rapunzel – Neu verföhnt oder Ich – Einfach unverbesserlich. Die sind alle nicht schlecht, aber sein wir ehlrich, eher 0815. Rango hingegen wird urplötzlich bierernst und staubtrocken, das Tabuthema Tod in Animationsfilmen wird locker umgegangen. Oftmals kommt dieser Film gnadenlos daher, erfrischend wirken die Ideen des erfahrenen Regisseurs Verbinski. Dazu bedient er sich unzähliger Klischees des Spaghetti-Westerns und schafft meiner Meinung nach einen der besten Filme des Kinojahres 2011.

Ich war äußerst gespannt als ich im Kino saß. Tatsächlich waren da auch ein oder zwei kleine Kinder, obwohl man Eltern vorher leicht gewarnt hatte, dieser Film muss nicht unbedingt was für ihre Schützlinge sein. Ich selbst freute mich irgendwie. Klar, die Kritiken waren allesamt vollkommen in Ordnung, manch eine besser als die andere, aber Rango war insgesamt gut weggekommen. Zudem wollte ich unbedingt wissen, was es mit diesem Animationsfilm auf sich hatte. Animiert und weniger was für Kleinkinder? Das muss ich sehen. Außerdem sei es ein Western, auch wenn in einer etwas spezielleren Art und Weise, für mich als kleiner Fan dieses Genre ein weiterer Grund ins Kino zu gehen. Zu guter Letzt haben wir noch Gore Verbinski und Johnny Depp, das Dream Team der Fluch der Karibik – Reihe, zumindest bis zum dritten Teil. Auch diese Filme schaue ich mir sehr gerne an, also hoffte ich erneut auf eine gelungene Zusammenarbeit von Regisseur und Darsteller. Also Rango, leg los, du hast meine ungeteilte Aufmerksamkeit.

Und dann war der Film vorbei ich total von den Socken. Ich war wirklich begeistert. Rango überzeugte mich in allen Punkten, mir fiel auf den ersten Blick nichts ein, was der Film falsch gemacht haben könnte. Ich saß da, sah mir den stimmungsvollen Abspann an, warf einen flüchtigen Blick zum Kumpel zu meiner Rechten und stellte sogleich fest, dass es ihm ähnlich wie mir erging. Wann war ich das letzte Mal im Kino und meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen? Natürlich saß ich bis zur letzten Sekunde im Kino, bis der Vorhang die Leinwand verdeckte und Licht den Saal erhellte. Für mich ein unheimlich lohnender Kinobesuch.

Aber halt. Bevor ich mich weiter mit Lob überschlage und erklären werde, warum mich Rango so begeistert hat, kommt wie immer eine kleine Übersicht zum Inhalt:

Das Chamäleon (Johnny Depp / David Nathan) ist ein echter Freigeist. Das Chamäleon? Naja, das, um welches sich der ganze Film dreht. Anfangs hat es nämlich noch keinen Namen. Also bleiben wir vorerst bei Chamäleon. Liest sich vielleicht blöd, aber was soll ich machen? Weiter im Text: Wie bereits geschrieben, das Chamäleon ist ein echter Freigeist. Also zumindest so frei, wie man es in einem Terrarium sein kann. Mit reichlich Fantasie und Inspiration kann man es sich jedoch in diesem Glaskasten ganz annehmbar machen. Das Chamäleon, welches sich stilsicher mit einem lässigen Hawaiihemd kleidet, hat eine Vorliebe für das Theater, ein aufziehbarer Plastikfisch, eine verstümmelte Barbiepuppe und weitere leblose Gegenstände unterstützen dieses dabei, seine Visionen umzusetzen.

Aber ganz ehrlich, mit der Zeit wird aus dieser imaginären Bühne doch eher ein trostlosen Gefängnis. Das Chamäleon fängt an sich zu fragen, was es überhaupt in diesem gläsernen Kubus macht, ob es auch ein Leben außerhalb dieser glasigen Scheinwelt gibt und wo seine wahre Bestimmung liegt. Unglaublich philosophisch für ein Reptil. Doch wie es der Zufall will befindet sich jenes Terrarium, in welchem sich das Chamäleon befindet, auf der Rückbank eines durch die Wüste Nevadas entlang eines Highways rasenden Sportwagen, allen Anschein zieht dessen Besitzer um. Plötzlich kommt das Fahrzeug ins Schlingern, das Terrarium fliegt zunächst durch die Luft, dann durch das Heckfenster, zerberstet auf dem harten Asphalt in tausend Einzelteile, das Chamäleon wird wild umher gewirbelt und findet sich im nächsten Moment allein und verlassen auf dem vorher besagten Highway wieder. Schluck. Irgendwie war das Terrarium doch nicht so schlecht. Zumindest im Vergleich mit der neuen Situation.

Was nun? Das Chamäleon muss es irgendwie gebacken kriegen, dieser wüstenartigen Hölle und der alles zerstörender Gluthitze zu entkommen. Also gen Zivilisation! Wo auch immer die zu finden ist… Alsbald trifft das umherirrende Chamäleon auf ein arg gebeuteltes Beuteltier. (Alfred Molina / Klaus Sonnenschein) Wie sich rausstellt der Grund für das schlingernde Fahrzeug und dem unsäglichen Unfall des Chamäleons. Das arme Beuteltierchen, in der Mitte seine Körpers komplett plattgefahren, ziert nicht nur eine schöne Autoreifenspur sondern entpuppt sich ebenso als weiser Prophet, welcher wohlmöglich Antworten auf die vielen Fragen des Chamäleons haben könnte. Bei dessen Gebrabbel steht das trottelige Reptil jedoch etwas auf dem Schlauch. Sinn des Lebens? Bestimmung? Wo denn? Wie denn? Letzte Reise? Wohin denn? Eine Stadt? Da lang? Wasser soll’s da auch geben? Na dann.

Also macht sich das Chamäleon nach diesem Aufeinandertreffen in Richtung ominöser Stadt auf, da kann ihm geholfen werden, hier wird er vielleicht seine Bestimmung finden. Ja ja, alles schon gut, Wasser ist bei diesen Temperaturen eher von Nöten als irgendeine Bestimmung. Nach einer kleinen Attacke durch einen Raubvogel, welche das Chamäleon gerade so übersteht, trifft dieses auf die Leguanin Bohne (Ja, Bohne. Im Originalton Beans...) (Isla Fisher / Angela Wiederhut), ein etwas skurriles und eigenartiges Getier. Nach einigem Geplänkel nimmt Bohne das gestrandete Chamäleon in Richtung Stadt mit und schon ertreckt sich das rustikale Dirt (Name der Stadt) in der staubtrockenen Steppe vor den Augen des Chamäleons.

Diesem wird bald klar, dass Dirt ein ziemlich undankbarer Ort zum Leben ist. Denn Wasser ist hier Mangelware. Und mit diesem Gut steht und fällt das kleine Western-Städtchen, welches von den seltsamsten Tierwesen bewohnt wird. Das Chamäleon erhält auch endlich einen Namen und macht hier schnell auf dicke Hose, wer kennt ihn denn schon hier in Dirt? Das ist die Rolle seines Lebens, ein altbackener Western-Held, furchtlos und kalt wie eine Hundeschnauze , genannt Rango. Und es kommt noch besser: Nachdem der Habicht, welcher dem selbsternannten Rango schon einmal den Garaus machen wollte, ein zweites Mal zum Angriff bläst, dann jedoch unter schwervorstellbaren Umständen und Dank des „heldenhaften“ Auftreten Rangos das Zeitliche segnet, wird das eher ängstlich-labile Chamäleon zum Sheriff von Dirt ernannt. Hoppla.

Rango erwarten nun einige heikle Aufgaben, welche es schleunigst zur bewältigen gilt. Zum einem muss er dem Verschwinden und Fernbleiben des Wassers auf die Spur kommen, außedem verhält sich der Bürgermeister Dirts (Schildkröte Ned Beatty / Otto Mellies) extrem verdächtig, später bekommt es Rango noch mit dem üblen Klapperschlangen-Jake (Bill Nighy / Michael Kessler) zu tun. Da wartet einiges an Arbeit auf Rango, viel mehr als er sich wohl selber anfangs vorgestellt hat...

Klingt ja erstmal ziemlich seltsam und verwirrend zugleich. Doch Verbinski gelingt es, eine unglaublich stimmige und wunderbar animierte Welt zu erschaffen, unzählige skurrile Figuren ins Leben zu rufen und seinen Protagonisten so datailliert und facettenreich zu gestalten, wie es zuletzte wohlmöglich nur Pixar in Oben gelungen ist. Dazu kommen so unfassabar viele kleine Ideen, ob eine kurze Slow Motion mit tragischer Musik unterlegt, ein typischer Western-Shot auf die am Horizont herabsinkende Sonne und einer galoppierende Meute davor oder eine abgedrehte Flugeinlage-und-Kugelhagel-Szene mit auf Kamikaze-Fledermäusen reitenden Erdmännchen, stimmungsvoll von Wagners Ritt der Walküren begleitet.

Regisseur Gore Verbinski bedient sich klassischer Elemente des Westerngenre, wirkt der Film in einem Moment sehr amüsant und komsich, so zeigt er sich weniger Minuten später todernst und durchaus fesselnd. Desweiteren gibt es immer wieder den einen oder anderen Seitenhieb auf bekannte Filme Hollywoods und der Westernsparte. Sei es Raoul Duke (Tata: Johnny Depp) und sein Anwalt Dr. Gonzo (Benicio Del Toro) aus Fear and Loathing in Las Vegas, auf dessen Windschutzscheibe Rango in der Anfangsequenz aufgrund des Unfalls landet oder eben der Geist des wilden Westens, welcher durch niemand anderen als eine verblüffend ähnliche Gestalt Clint Eastwoods dargestellt wird. Dass diese Figur im Film eigentlich keinen Namen hat, ist wohl eine weitere Anspielung auf den Western-Klassiker Ein Fremder ohne Namen, in welchem, wer hätte es gedacht, Mr. Eastwood in der Hauptrolle den Fremden ohne Namen spielt.

Was mich persönlich besonders begeistert hat, waren die abstrakten und einzigartigen Charakterzeichnungen. Vom Protagonisten bis zur allerletzten Nebenfigur, das war einfach wunderbar. Verbinski und seine Team bedienten sich sämtlicher Klischees des wilden Westens. Da hätten wir zum Beispiel eine schweigsame, düster dreinblickende Apachen-Krähe oder eben eine aufgedunsene, mit Zigarrenstummel im Maul daherkommende Barkeeper-Kröte, jedes winzige Detail, jeder Aspekt der jeweiligen Figur, ihre Darstellung, ihr Auftreten ist minutiös durchdacht. Hinzu kommt das sehr schön anzusehende Wüsten-Setting und die biedere Westernstadt Dirt, wo jeder Charakter perfekt reinpasst und sich im Zusammenspiel mit der Kulisse ein fantastisches Gesamtbild ergibt. Da hat mich Rango wirklich gepackt.

Mit Rango wurde wohl auch zum allerersten Mal der Begriff des Emotion Capturings geprägt. Motion Capturing kennen wir alle, du bekommst als Schauspieler viele lustige Knubbeln und Kügelchen angeklebt, deine Bewegung werden abgespeichert und später auf animierten Figuren übertragen (bestes Beispiel: Andy Serkis als Gollum in der Herr der Ringe). In Rango ging es weit darüberhinaus. Hier verlangte man von den Darstellern bzw. Sprechern, sich vor dem Filmteam auf einer Bühne zu artikulieren, ihren Text vorzutragen und wenn möglich die Rolle so zu spielen, als würde sie selbst und nicht ihr CGI - Alter Ego vor der Kamera stehen. Und diese Idee ging auf. Man übernahm ihre Emotionen und die Darstellung der eigentlich Sprecher und transferierte diese auf ihre jeweilige Figur in Rango. Das Ergebnis: Johnny Depp ist Rango und Rango ist Johnny Depp.

Man erkennt die markante Art und Weise eines Johnny Depps, diese stumpfen Gesichtszüge und Reaktion, sein Verhalten. Dieses Emotion Capturing macht den Film und seine Figuren noch einzigartiger und wesentlich nachhaltiger als manch anderen Animationsfilm. Diese Technik erzeugt Nähe zu den Charakteren, man identifiziert sich, man kann nachvollziehen, was in den einzelnen Figuren gerade vorgeht, was sie als nächstes tun werden. Definitiv ein fetter Pluspunkt Rangos.

Noch etwas zur Technik: Kein 3D! Darüber habe ich mich sehr gefreut. Heutzutage bedeutet 3D das schnelle Geld, oft wird der Effekt lieblos über einen Film drübergelegt. Rango genügen wunderschöne CGI-Animationen, ein überladener 3D – Effekt wird überdrüssig. Daran könnten sich so einige Filmemacher ein Beispiel nehmen.

Ein weiterer erfrischender, innovativer Aspekt ist die bereits angekündigte Rigorisität des Films. Es gibt vielen Szenen, in denen ich lautlachend und mir den Wanst haltend im Kinositz versank. Gleichwohl gibt es auch jene Momente, in denen vorwiegend ein sehr subtilen Unterton vorherrscht, man schmunzelt eher, als dass man laut loslacht. Und ebenso gibt es halt diese Augenblicke, in denen es sprichwörtlich um Leben oder Tod geht. Da gibt’s dann nix zu lachen. Mit Spannung erwartet man dann die weiteren Ablauf. Diese Balance ist in meinen Augen unheimlich gut gelungen und der mutige Schritt, auch in Animationsfilmen, welche sich desöfteren mit dem Vorurteil „Nur für Kinder“ herumplagen müssen, mal eine Schippe draufzulegen, sich mal etwas zu trauen, muss gelobt werden.

Ein kleines Kind sieht eh nur die Bilder. Das kann man ihm oder ihr auch nicht verüblen, der umfassende Blick kommt mit den Jahren. Denn wo Rango ebenfalls punktet ist seine Tiefsinnigkeit und ein sehr lebensphilosphischer Ansatz. Wo geht die Reise hin? Was ist mein Ziel? Welchen Sinn hat das Leben? Das hört sich alles sehr schmalzig an, passt aber sehr gut zum Ambiente und der Hauptfigur des Films. Sinnbild für diesen tiefergehende Bedeutung Rangos ist wohl zum einen Roadkill, das weise Beuteltier, welches Rango läutert und in ihm einige offene Fragen aufwirft. Zum anderen ist es der bereits angesprochene Geist des wilden Westens, welcher im Moment seines Auftretens den Film auf eine sehr philosophische Ebene zieht. Das sind Dinge, welche man in Animationsfilmen oft vermisst, welche gelegentlich lapidar am Rande betrachtet werden, aber im Großen und Ganzen keine gewichtige Rolle spielen.

Regisseur Gore Verbinski, Johnny Depp und Brad Grey

Mit Rango wurde ein einmaliger Animationsfilm geschaffen, der sich deutlich von seiner Zunft abhebt und endlich mal vielschichtiges animiertes CGI-Kino bietet. Mich würde es nicht verwundern, wenn Verbinski mit seinem ersten (!) animierten Film heißer Kandidat für die großen Filmpreise dieses Kinojahres wird. In meinen Augen wäre es mehr als verständlich.

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Fazit

Anschauen! Ich selbst war ein klein wenig skeptisch und zurückhaltend, wurde jedoch eines besseren belehrt. Rango ist ein rundum gelungenes Gesamtpaket mit toller Technik, schönen Bildern, passender Story, ulkigen Figuren und einer interpretationswürdigen Botschaft. Gore Verbinski hat sich getraut und wird dafür belohnt. Die perfekte Unterhaltung, ob urkomisch oder spannungsgeladen, Rango reiht sich nahtlos in die neue Generation Animationsfilme á la Oben oder Toy Story 3 (Ja, auch Toy Story 3. Denkt mal drüber nach.) ein, welche weitaus mehr bieten als nur kindergerechte Kost. Neue Wege werden eingeschlagen, neue Ideen verarbeitet, neue Themen aufgegriffen. Und das tut diesem Genre unheimlich gut. Da kann man nur auf weitere Filme dieser Art hoffen. Rango bekommt von mir auf jeden Fall eine fette Empfehlung.

Wertung:

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Trailer




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